Andrea Pursche

Andrea Pursche, Lübbenau

  • Touristikerin
  • Vorsitzende Rubisko-Verein

Gäbe es einen Wettbewerb um die meistfotografierte Spreewälderin, wäre Andrea Pursche ganz vorn dabei: Keine Touristikmesse, kein Spreewaldfest und keine touristische Werbeveranstaltung ohne ihr Foto in den Medien. Mit ihrer akkurat getragenen Tracht, die mal eine Festtags- oder Arbeitstracht ist, als Bescherkind oder gar im städtischen Kostüm der Jahrhundertwende wie zur Veranstaltung „Lehde geht schlafen“ – die blonde Frau erregt stets Aufmerksamkeit. „Die Tracht verleiht Würde, sie muss entsprechend getragen werden, wobei es auf jedes Detail ankommt“, lautet Andrea Pursches Standpunkt. „Wer Trachten nur mal so trägt, sich vielleicht vor einer Veranstaltung erst mal auf der Toilette umzieht, der ist sich der Bedeutung der Tracht nicht bewusst und behandelt sie wie ein Karnevalskostüm!“
In Lübbenau aufgewachsen, den Spreewald vor der Haustür und Großeltern mit Traditionshintergrund, wählte Andrea nach der 10. Klasse den Beruf einer Meliorationstechnikerin. Ihre Arbeitsstellen waren der nahe Spreewald und die feuchten Äcker und Wiesen, die nach dem damaligen Verständnis der politisch Verantwortlichen unbedingt entwässert werden mussten, um möglichst hohe Erträge erzielen zu können. Sie qualifizierte sich zur Meliorationsingenieurin und wurde Jung-Bauleiterin bei der Meliorationsgenossenschaft Boblitz. Auf dem Motorrad, mit den langen blonden Zöpfen im Fahrtwind, eilte die junge Frau von Baustelle zu Baustelle und wies den gestandenen Männern in ihre Arbeit an. „Für einen Berufsanfänger war es nicht immer leicht, als Bauleiterin in dieser Männerdomain ernst genommen zu werden, wenn man nicht Diplomatie walten lies.“
Der Verdienst einer jungen Angestellten war damals sehr gering. „Um mir einen Ungarnurlaub leisten zu können, habe ich nach Feierabend noch in einer Gurkeneinlegerei gearbeitet!“ Andrea Pursche sah sich deshalb bald nach einer neuen, besser bezahlten, Stelle um und fand diese als Leiterin der Kreiskommission Jugendtourist. Das Gehalt war nun deutlich besser, aber der politische Druck einerseits und die fehlenden Reisemöglichkeiten andererseits machte es ihr auch nicht leicht. Wegen ihrer zahlreichen Westverwandtschaft durfte sie nicht in die damalige westdeutsche Partnerstadt reisen. Diese Unzufriedenheit mit dem Umfeld führte zu einem weiteren Jobwechsel. Im Kraftwerk Lübbenau war eine Stelle als Objektbauleiterin zu besetzen, die die junge Mutter dankend annahm. Sohn Hannes wurde 1985 geboren, Tochter Lisa kam 1989 zur Welt. Mit der politischen Wende fiel auch die Stelle im Kraftwerk wieder weg, es folgten Umschulungsmaßnahmen und auch eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit. Ihre frisch erworbene Marketingausbildung führte sie zu einem Praktikum ins Spreewaldmuseum, wo sie 1995 gleich in die Vorbereitung des Trachtenumzuges eingebunden wurde. „Diese Zeit hat mir was gegeben, ich war wieder ganz nah an meinen Wurzeln. Ich konnte von dem Wissen meiner Großeltern profitieren und so manches Detail in Erfahrung bringen. So erfuhr ich auch von einem Urgroßvater, dem ‚Plumpenbauer‘ Karl Grabitz. Er, Jahrgang 1872, gründete den Lübbenauer Museumsverein und trug damals viele Stücke zusammen“, erinnert sich Andrea Pursche an dieses Praktikum, das sie der Tradition und der eigenen Familiengeschichte näher brachte. Auch sie, wie damals ihr Urgroßvater, setzte auf die Notwendigkeit eines Museumsvereins und war unter den Gründungsmitgliedern des 1998 wiedergegründeten Vereins, der sich später in den „Verein zur Pflege wendischer Trachten und Bräuche“ umbenannte. Von Anfang an war sie Stellvertreterin und seit 2008, im zehnten Jahr des Bestehens, ist sie die Vorsitzende von „Rubiško“, wie der Verein sich kurz nennt. Das wendische Wort Rubiško steht für Halstuch, so wie es die Spreewälderinnen tragen. Die nächsten großen Herausforderungen stehen für den Verein an: Die Teilnahme am deutschen Trachtentag 2012 in Altenburg und am Brandenburgtag in Lübbenau. „Da muss ich viel Überzeugungsarbeit leisten, viel koordinieren und wie schon damals als Bauleiterin mit Geschick und Diplomatie die 33 Mitglieder dafür gewinnen – meine ganz aktuelle Baustelle eben“, zeigt sie sich zuversichtlich. Seit 15 Jahren arbeitet Andrea Pursche als Marketingverantwortliche bei der Spreewald-Touristinformation Lübbenau e.V. und kommt hier mit Gästen aus aller Welt in Kontakt. Wenn sie mal am Tresen steht, erklärt sie geduldig immer wieder den Spreewald, seine Wasser- und Wanderwege, das Brauchtum und vieles andere – jeden Tag neu und mehrmals. „Ich bin mit meiner Arbeit sehr zufrieden, sie bringt mich an den Menschen heran und ich kann hier viel für meinen Spreewald leisten“, erklärt sie. Ihr „Lieblingsthema“ ist das Synonym des Spreewaldes, die Spreewaldgurke. Die "Lübbenauer Gurkentour“ oder die Wiederbelebung des "Lübbenauer Gurkenmarktes" sind Produkte, an denen Andrea Pursche maßgeblich mitwirkte und mitwirkt.

In der Freizeit arbeitet sie gern im Garten oder hört Musik („manchmal auch Hardrock“) oder schnappt sich ganz einfach mal den Kahn und fährt in die Stille des Spreewaldes. Sie erinnert sich: „Bei meinen Großvater Herrmann Jedro habe ich das Staken schon als Kind gelernt. Das war auch gar nicht schwer: Im engen Moddergraben konnte der Kahn ja nur geradeaus.“

 

Peter Becker/peb1, 21.08.11

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