Die fotografierte Fotografin
Ein Leben an der Ostseeküste war ihr nicht vergönnt. Schon im Geburtsjahr 1962 folgte der Werftarbeiter Fritz Hakendahl dem Ruf der Kohle und ließ sich mit seiner Familie in Lübbenau nieder. Der musisch begabte Vater spielte nach der Arbeit im Kraftwerk bei den „Materdors“ und hatte in Groß-Beuchow sogar eine kleine Theatergruppe aufgebaut. Tochter Simone ließ er hinsichtlich ihrer Entwicklung freien Lauf, „wofür ich ihm heute noch dankbar bin“ bekennt sie freimütig. Leider verstarb ihr Vater viel zu früh.
Simone durchlief die Zehnklassenschule und erlernte den Beruf einer Verkäuferin. Obwohl schon in der Schule den Künsten sehr zugetan, durchlebte sie in der Ausbildung eine erste Steigerung: „Ich wollte alles verändern, die Dinge besser ins rechte Licht rücken. Selbst die wenigen Waren kann man doch noch viel besser präsentieren“, war ihre Auffassung. Sie konnte nicht anders, sie musste verändern. Das sie dabei manchmal ein wenig zu viel des Guten tat, sah man ihr wohl nach. Die Bischdorfer jedenfalls haben noch ziemlich lange darüber diskutiert, wie die junge Urlaubsvertretung aus der Stadt ihren Dorf-Konsum umkrempelte. „Dabei habe ich nur getan, was getan werden musste: Fensterrahmen farbig gestrichen und Kühlschrank angemalt!“
Ihr Gestaltungsdrang ließ sie aber auch die gesellschaftliche Enge spüren, die 1985 in einen Ausreiseantrag mündete. „Mir fehlte ganz einfach das Gefühl von Freiheit, ich bekam keine Luft“, schätzt sie heute ein. Unzählige Vorladungen bei den Behörden, Drohungen, Versprechungen – das ganze Repertoire der damals Herrschenden musste herhalten, um sie umzustimmen. „Was sollte ich schließlich machen, mein Vater, inzwischen Lehrmeister, bekam gewaltig Druck. Mein gerade geborener Sohn und auch eine schwere Erkrankung ließen mich dann doch den Antrag zurückziehen.“ Aber wenigstens ein Zugeständnis bekam sie : Sie durfte ab sofort ihre Bilder ausstellen und verkaufen. Simone Brüggemann, wie sie nach der ersten Eheschließung hieß, hatte in den Jahren sich immer mehr dem Malen zugewandt, erst waren es mehr oder weniger gelungene Kopien berühmter Meister, später schon ganz ansehnliche Bilder, meist mit Spreewaldmotiven.
Der Drang zu gestalten, zu entwerfen, führte sie auch zwischenzeitlich auf eine ganz andere Schiene: „Ich habe bis zur Wende neben meiner eigentlichen Arbeit als Dekorateurin im Konsum ganz erfolgreich Schnittmuster entwickelt und für eine Lübbener Boutique Parker genäht. Auf dem Rücken immer auch eine kleine Grafik; jedes Kleidungsstück ein Unikat. Ich kam der Nachfrage kaum nach, täglich eine Jacke war das Maximum, mehr war in Handarbeit nicht zu schaffen!“ Erst die politische Wende brachte das Aus für die kreative Näherin, die aber eine weitere künstlerische Leidenschaft nun ins Spiel bringen durfte – sie begann zu fotografieren und belegte auch gleich einen ersten Platz bei einem Kreisfotowettbewerb. Da sie damit und auch mit den ersten Malversuchen nicht wesentlich zum Familieneinkommen beitragen konnte, fotografierte sie im Auftrag eines Lübbenauer Fotografen die Spreewaldkähne. „Bitte mal herschauen…“, schallte es dann ziemlich oft über das Wasser. Eigentlich unnötig, denn das taten die meisten ohnehin: Die blonde schlanke Simone stand im knappen Outfit und in Hotpants am Ufer und wedelte mit den Abrisskarten. Vermutlich ist sie öfter fotografiert worden, als sie selbst Kähne fotografiert hat! „Da hatte ich so meinen Spaß, aber das war auch letztlich sehr eintönig!“
In dieser Zeit gründete sie den Lübbenauer Kulturhof und organisierte zahlreiche Kulturveranstaltungen. Ihr Tatendrang kannte kaum Grenzen, aber eine plötzliche Krebserkrankung setzte ein deutliches Stoppzeichen und drohte alle Planungen über den Haufen zu werfen – und ließ sie vor allen Dingen über das Leben und seine Einmaligkeit sehr nachdenken. Bei einer Italienreise während der Genesungsphase war sie von der dortigen Lichtfülle derart beeindruckt, dass ihr der Gedanke kam, in ihren Bilder dieses alles überragende Strahlen, das das Leben in ein ganz neues Licht tauchte in ihre Bilder einzuarbeiten. So entstand der unverwechselbare Brüggemann-Riemer-Stil: Licht von vielen Seiten (man könnte mehrere Sonnen vermuten) klare Schattenlinien und vor allen Dingen viele gelbe und rötliche Töne, die Farben des Lichts.
Mit diesen Bildern, die in Annäherung an den Kubismus gemalt sind, ist sie seit dieser Zeit sehr erfolgreich. Sie werden gern gekauft und gehen als Urlaubserinnerung wohl in die ganze Welt. Ihr neues, inzwischen eigenes Atelier in einem restaurierten Fachwerkhaus befindet sich in der Lübbenauer Fischer-Straße und fällt schon von weitem durch seine gelbe Farbgebung auf. Dieses Haus hat sie gemeinsam mit Ehemann Steffen Riemer aus einem maroden Zustand geholt und zu einer Sehenswürdigkeit umgestaltet.
Nun, nach Abschluss aller Baumaßnahmen – wobei es diesen Zustand eigentlich für Hausbesitzer nicht wirklich gibt- bleibt wieder mehr Zeit für andere Musen. Mit den „Elderberries“ tritt sie bei Veranstaltungen auf. Die fünf Damen zwischen 20 und über 40 liefern dann ein Feuerwerk irischen Volkstanzes ab. „Da habe ich meinen sportlichen Ausgleich, hier kann ich auch meine einhundert Prozent geben, so wie ich das schon immer getan habe“, schätzt sie ihr Engagement in diesem Genre ein. Und in ganz stillen Momenten, am frühen Morgen, geht sie über die Spreewaldwiesen und sammelt - Kräuter. „Hier schöpfe ich Kraft, hier wachsen neue Ideen, hier bin ich mit mir allein – und letztlich im Reinen.“ Aber der Sonntag gehört der Familie, da geht es mit Ehemann auf Fahrrädern ins weite Brandenburger Land.
Sanddornwein
"Für mich ist es zur Tradition geworden, dass ich jedes Jahr im September Sanddorn ernte. Die abgeschnittenen Zweige bearbeite ich dann zu Hause auf dem Hof: Mit einer Nagelschere schneide ich Beere für Beere ab - das dauert viele Stunden!
7 kg Sanddornbeeren |
werden gewaschen und in einem großen Topf gestampft, damit die Beeren aufplatzen. |
4,5 Liter Wasser |
zum Kochen bringen und darin |
4,5 kg Zucker |
auflösen und noch warm über die gestampften Früchte gießen. Die Maische in einem etwa 15 Liter fassenden Weinballon geben und ein Gärröhrchen aufsetzen, an sonnigen Platz stellen und nach vier Wochen über ein Leinentuch abseihen. Das Filtrat erneut in den Ballon geben, wieder mit einem Gärröhrchen verschließen und etwa vier Monate in einem Raum mit gleichbleibender Temperatur gären lassen. Nach Abschluss der Gärung in Flaschen abfüllen. |
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Der orangefarbene Wein ist ein Genuss für Augen und Seele!"
P. Becker, Dez. 2010
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