Viel Glück hatte sie nicht in den ersten Lebensjahren. Die 1982 in Kragujevac (Ex-Jugoslawien, heute Serbien) geborene Svetlana Cvetic verlor schon im Alter von fünf Jahren ihre geliebte Mutter. Die Krankheit ihrer Mutter schmerzte ihr so sehr, dass sie ihr einen Brief ins Krankenhaus schrieb (Svetlana konnte in diesem Alter bereits schreiben!): „Wenn ich groß bin, dann werde ich Ärztin, damit ich dir helfen kann, gesund zu werden!“ Diesen Brief hat Svetlana heute noch. Ihr Versprechen hat sie eingelöst, jedenfalls den ersten Teil. Ihrer Mutter konnte sie nicht mehr helfen. Mitten in ihrem Medizinstudium starb ihr geliebter Vater an einem Herzinfarkt. „Wir beide waren stets ein Team, wir konnten uns aufeinander verlassen“, blickt sie heute zurück. Gerade in der Zeit des Bürgerkrieges fehlte es an allem, Strom gab es nur manchmal, das Geld wurde fast täglich abgewertet. Da waren Improvisation und Organisation überlebenswichtig für die beiden. Mit dem Wissen einer gut ausgebildeten Ärztin weiß sie heute, dass der Tod beider Eltern zu verhindern gewesen wäre, wenn schnellere und fachlich versiertere Hilfe stattgefunden hätte.
Ihr Studium hatte Svetlana Cvetic 2008 in Kragujevac erfolgreich absolviert und durfte sich nun „Dr. med.“ nennen. In Serbien herrscht Ärzteüberschuss, wenigen freien Stellen stehen zu viele Bewerber gegenüber. Sie war eine der Besten und fand trotzdem keine Arbeit.
In der Stadtverwaltung bekam sie dann nach langem Suchen und Warten eine Anstellung. „Aber die Arbeit befriedigte mich nicht, es war ein Schreibtischjob“, berichtet Svetlana über diese Zeit. Sie machte sich über das Internet auf die Suche nach einer Arztstelle, auch das Ausland kam in die engere Wahl. Ein Hamburger Headhunter, ein „Kopfjäger“, wurde auf die junge Ärztin aufmerksam und bot ihr eine Perspektive in Deutschland. „Unmöglich, lass dich nicht darauf ein, das ist ein Bauernfänger!“ So oder so ähnlich lauteten die Meinungen ihrer Freunde, die ihr dringend davon abrieten. Svetlana aber hatte nichts zu verlieren, hatte sie doch ihren engsten Familienkreis verloren und nur einen unbefriedigenden Job. Sie wagte den Schritt, ließ sich anwerben, und bald fand sie sich kurze Zeit später auf einem Deutsch-Intensivkurs in Donaueschingen wieder. Nach einem Monat intensivster Sprachausbildung nahm sie die Reise in den Spreewald auf. Nach Burg, in die Reha-Klinik, hatte sie ihr Headhunter vermittelt. „Ich wusste nun endgültig, dass ich kein Opfer dubioser Machenschaften bin. Ich bin glücklich, diesen Schritt entgegen aller Ratschläge gegangen zu sein!“
Nur ihren „Dr. med.“ musste sie wieder aus dem Stempel schneiden. In Serbien ist das eine Berufsbezeichnung und kein akademischer Grad wie in Deutschland. Ihr Hochschulabschluss wurde erst einmal auch nicht anerkannt. Erst nach einer Prüfung vor der Ärztekammer Cottbus, die sie mit Bravour bestand, bekam sie die Approbation und somit die Berechtigung als Ärztin in Deutschland arbeiten zu dürfen.
Das Internet sollte ihr bald erneut helfen und noch einmal zum Glücksfall werden. Auf Flirtseiten suchte sie Abwechslung vom Alleinsein und jemanden „zum Reden“. David Grasselt arbeitete 2011 an seiner Diplomarbeit und war häufig in Berlin unterwegs. Svetlana hatte in Wildau eine Wohnung, nutzte sie aber kaum, da die Entfernung nach Burg zu groß war. Beide gaben im Profil Berlin als Wohnsitz an, mussten aber bald feststellen, dass sie eigentlich näher wohnten, als sie es in der Großstadt je gewesen wären. David kommt aus Raddusch und stand vor dem Studienabschluss an der BTU Cottbus, Svetlana arbeitete in Burg – keine zehn Kilometer von Raddusch entfernt. Sie vereinbarten ein erstes gemeinsames Treffen in Burg, ganz „romantisch“ vor der Sparkasse. „Den Ort kannten wir beide gut, alles andere wäre zu kompliziert gewesen“, erklärte David die Ortswahl. Sie merkten schnell, dass sie gut zueinanderpassen und das da mehr sein könnte, als nur miteinander „zu Reden“. Im März 2012 kam Tochter Maya Lisa zur Welt, ein zweites Kind ist unterwegs. Eine Wohnung fanden sie in Cottbus, inzwischen der Lebensmittelpunkt beider. Svetlana arbeitet jetzt im Carl-Thiem-Klinikum und ist mitten in ihrer Facharztausbildung. David ist inzwischen Dozent und Promovend an der BTU Cottbus. Ein junges hoch qualifiziertes Paar geht den Weg ins Leben. „Wenn auch mein Erwachsenwerden in Serbien von wenig Glück gekennzeichnet war, so habe ich es hier umso mehr gefunden. Deutschland ist ein schönes Land, nur abends ist nichts los. Und ein wenig kälter ist es auch, leider.“ Wie sie das meint, ließ sie offen. Das wärmere Klima und die südosteuropäische Gelassenheit und Herzlichkeit – beides könnte gemeint und richtig sein. „Aber im Spreewald fühle ich mich besonders wohl. Hier spüre ich meine slawischen Wurzeln besonders, auch die sorbische Sprache klingt mir ganz vertraut“, so die junge Ärztin.
Peter Becker/peb1, 13.05.13
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