Dirk Lehmann

Dirk Lehmann, Lübbenau

  • Chefkoch "Schlossrestaurant"
  • Prüfer an der IHK Cottbus

„Du brauchst deine Tasche gar nicht erst auszupacken!“ Mit dieser Botschaft empfing Beate Lehmann ihren Sohn 1991 nach seiner Abschlussfahrt mit der zehnten Klasse. Leicht irritiert und auch ein wenig geschockt und nun endgültig im Leben angekommen, empfing der Älteste der fünf Brüder diese Nachricht. Die Mutter hatte während seiner Abwesenheit eine Lehrstelle gefunden - in Trier, am anderen Ende Deutschlands. Und natürlich wurde die Tasche noch einmal neu gepackt, auch ein paar Sachen und Liebgewordenes kamen hinein. Nach wenigen Tagen ging es von Dahme aus in die Pfalz. Es war ein Abschied nehmen von einer geborgenen Kindheit, allerdings mit vielen Verpflichtungen. Vater Peter Lehmann war als Landmaschinenschlosser voll gefordert, besonders in der Erntezeit selten zuhause. Beate Lehmann arbeitete als Uhrmacherin und ihr Ältester war oft mit seinen kleineren Brüdern allein und für sie verantwortlich. „Was wusste ich schon von Kinderernährung? Was mir schmeckte, musste allen schmecken. Dem Kleinsten steckte ich schon mal ab und zu ein Broilerstückchen in den Kinderwagen, was der schmatzend genoss – und überhaupt nicht daran erkrankte. Beim Grießbrei, gereicht von seiner fürsorglichen Mama, verzog der dann schon eher mal den Mund“, erinnert sich Dirk Lehmann an seine von Verantwortung getragene Kindheit. Zum Ende der zehnten Klasse hin war er sich damals noch nicht ganz klar darüber, was er mal werden wollte: Autoschlosser oder Koch kamen in die engere Wahl. Letzteres schien ihm aber mehr Spaß zu machen. Bei der Oma, die einen Partyservice betrieb, hatte er schon mehrfach mitgeholfen und sich dabei geschickt angestellt. Mit Mutter Beate stand er öfter im Kochwettstreit: Wer kann schneller und besser kochen? Diese Neigung zum Kochen und zum Kochtopf blieb der Familie natürlich nicht verborgen und Beate Lehmann entschied dann einfach die Lehrstelle im Sinne ihres Sohnes.

Lehre fernab der Heimat


In Trier angekommen und gerade etwas eingerichtet, wartete schon die erste Aufgabe in der „Weinstube zum Domstein“ auf ihn: „Hier sind drei Kilo Mehl, mach mal Spätzle draus“, lautete die Anweisung seines Lehrkochs. „Ich wusste noch nicht mal was Spätzle sind, geschweigen denn wie man sie macht“, blickt Dirk Lehmann auf seine ersten Ausbildungstage zurück. Allein in der Fremde, hohem Druck ausgesetzt und die Geborgenheit seiner Dahmer Familie missend, stellten sich bald Magenschmerzen ein, die aber mit steigender Eingewöhnung langsam wieder wichen. „Ganz allmählich kam ich immer besser klar, die vierteljährlichen Heimfahrten waren in dieser Zeit meine Höhepunkte, an die ich mich klammerte. Um Unterkunft und Verpflegung brauchte ich mich nicht zu kümmern. Die Kosten dafür wurden vom Lohn abgezogen. Nur um meine Wäsche musste ich mich selbst kümmern. Mein erstes Gehalt betrug daher nur 1,64 DM – so etwas vergisst man nicht“, erinnert sich Dirk Lehmann an die schwierigen Lehrjahre.
Die Einberufung zur Bundeswehr brachte wieder etwas mehr Ruhe und Ordnung in sein Leben: „Täglich 500 Schnitzel, Würste oder sonst was braten und am Wochenende frei!“  Diese Zeit nutzte er für die Jobsuche, denn nach dem Wehrdienst wollte er unbedingt wieder in der Nähe seiner Familie und möglichst nah dem Spreewald sein. Wieder war’s die Mutter. „Fahr doch mal nach Lübbenau, ins Schloss, die suchen Leute“, gab sie ihm den entscheidenden Tipp. Und es klappte: Seit nun schon über zehn Jahre ist er als Koch, inzwischen als Küchenmeister und Lehrkoch, im Schlossrestaurant tätig.

Eben noch selbst Auszubildender und schon Prüfer

Mit erst 23 Jahren machte er die Ausbilderprüfung, durfte aber erst als 25-Jähriger Prüfungen abnehmen. Dies tut er inzwischen mit viel Hingabe und unter Aufopferung von viel Freizeit. Die Industrie- und Handelskammer Cottbus würdigte 2011 dieses Engagement mit der „Silbernen Ehrennadel“. Dabei ist Dirk Lehmann alles andere als zufrieden mit der Lehrausbildung: „Was ist das für eine Prüfung, wenn jeder seine eigenes Menü schreiben kann und dann auch nur noch vorzukochen braucht, was lange geübt wurde?“ Für ihn ist da das Losverfahren viel realistischer. Niemand weiß, was ihn erwartet – eine echte Prüfungssituation eben.
Dirk Lehmann ist Chef von fünf Köchen und fünf Auszubildenden, er schreibt Dienstpläne und immer wieder mal neue Speisekarten, immer den saisonalen Angeboten angepasst. „Das mache ich am liebsten nachts, da stört mich nichts und niemand und ich kann mich voll darauf konzentrieren“, schätzt er diese wichtige Arbeit ein, denn das Gericht soll schmecken, nicht allzu lange dauern und auch die Kalkulation muss stimmen. Aber am liebsten steht er nach wie vor am Herd. Als Chefkoch obliegt ihm das Wichtigste: Er ist dann der Saucier und für alle Bratengerichte und Soßen zuständig.
In seiner Freizeit besucht er einen  „Wing Shun - Kampfkunstkurs („Schöner Frühling“) und sammelt – wie von einem Koch nicht anders zu erwarten- Kochbücher. Über 150 stehen schon in seinen Regalen. Aber den Hauptteil der freien Zeit widmet er seiner jungen Familie. Seine Frau Michaela arbeitet ebenfalls im Schlosshotel. Da ist viel Abstimmung angesagt, aber glücklicherweise haben sie eine Wohnung gegenüber der Arbeitsstelle gefunden und somit ganz kurze Wege. Dirk Lehmann ist dann mit seinen beiden kleinen Töchtern viel im Park unterwegs. Mit kleinen Kindern umzugehen ist ihm nicht fremd. Dafür hat  schon seine eigene Kindheit gesorgt.

Peter Becker, 16.06.11

 

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