Ruhig und kraftvoll schiebt Dr. med. Wilfried Banusch seinen Spreewaldkahn über die Leiper Fließe. Im Spreewalddorf hat die Familie seit Jahren eine Datsche, hier treffen sie sich mit Familie und Freunden. Auf der idyllischen Kahnfahrt zur Leiper „Spreewaldinsel“, dem Ferien-Mietobjekt von Sohn Hagen und Schwiegertochter Silvia, geht Wilfried Banusch’s Blick zurück zu Kindheit und Jugend dies- und jenseits der Neiße. „Eigentlich wollte ich Pastor werden. Ich wollte genau wie mein großes Vorbild sein, der Burger Pastor Egon Rösler. Der hat mit uns Kindern viel angestellt, und mir hat er die Grundlagen der Fotografie beigebracht“, erinnert sich Wilfried Banusch.
In Göhren, rechts der Neiße, 1940 als Sohn eines Zimmermanns geboren, musste die Familie nur wenige Jahre später vor der heranrückenden Front fliehen. Sie kamen mit ihm und seinem älteren, an einer Schwerhörigkeit leidendem Bruder, vorerst in Burg unter. „Meine Eltern wollten nicht so weit weg von zu Hause eine Bleibe finden, denn es sollte ja bald wieder in Richtung Heimat gehen. Dass daraus zeit ihres Lebens nie mehr etwas wurde, haben sie nur schwer verwinden können“, gehen seine Erinnerungen an die Eltern zurück.
Vom Arbeiterkind zum Doktor
Nach dem Besuch der Schule stand für das Arbeiterkind eigentlich eine Lehre als Schlosser an. Den Traum vom Pastorenberuf hatte Wilfried ohnehin schon frühzeitig begraben, weil sein Gesang miserabel war, wie er selbstkritisch einschätzte. „Außerdem dachte damals niemand an eine höhere Bildung, die war den feinen Leuten vorbehalten. Der Arbeiter- und Bauernstaat machte aber Schluss mit solchen Privilegien - und schuf dabei selbst gleich wieder neue, denn nur Systemkonformen wurde ein solcher Schritt ermöglicht.“ Wilfrieds Lehrer redete auf die Eltern ein: „Aus dem könnte durchaus was werden, geben Sie ihm eine Chance!“ Es folgte der Besuch der Oberschule in Calau mit Internatsunterbringung. In den Ferien wandelte er die vom Burger Pastor eingeimpfte fotografische Neigung in klingende Münze um und besserte sein Taschengeld auf: Für den Lübbenauer Fotografen Jank radelte er zwischen Labor und Hafen hin und her, er brachte den Kahntouristen die Fotos und half auch sonst mit. Bevor es zum Studium ging wollte der Staat natürlich noch seinen Treubeweis: Sein „freiwilliger“ Dienst in der Nationalen Volksarmee, abgeleistet in Frankenberg! „Für mich war dann bald klar, dass ich Medizin studieren werde. Ich war schon zehn Jahre lang bei den ‚Jungen Sanitätern‘ in Burg und hatte auch die Hoffnung, als Arzt mal meinem kranken Bruder helfen zu können. Eine Hoffnung, die sich leider nicht bestätigen sollte, seine Krankheit war einfach schon zu weit fortgeschritten.“
Noch an der Calauer Oberschule lernte er die zukünftige Kinder- und Säuglingsschwester Ursula kennen. Nach der Hochzeit kam 1964 Sohn Jörgen zur Welt, mit dem Abschluss des Studiums folgte 1967 Tochter Susann und 1968 kam Hagen zur Welt. Alle drei sollten später ebenfalls Ärzte werden. Offensichtlich hatte der Medizinerhaushalt alle drei Kinder so stark beeindruckt, dass sie sich keinen anderen Beruf vorstellen konnten. „Meine Frau hat mir die ganzen Jahre den Rücken freigehalten und mir die ganze Last der Kindererziehung und des Haushalts abgenommen. Ich konnte mich voll auf meinen Beruf konzentrieren“, blickt Wilfried Banusch auf die Jahre mit Kindertrubel in Vetschau zurück. Hier hatte er in der Poliklinik eine Stelle gefunden, in Cottbus und Altdöbern konnte er seine fünfjährige Facharztausbildung als Allgemeinmediziner abschließen.
Der Spreewälder Arzt
Schwiegertochter Silvia hat den Kahn schon von weitem gesehen und hilft beim Anlegen des Kahnes. Ein kurzer Plausch und ein wenig die Füße vertreten folgen, bevor es wieder weiter geht. Rasselnd fällt die Kette in den Kahn zurück: „Ich liebe dieses dumpfe Geräusch, das ist für mich typisch Spreewald. Es bedeutet, dass es losgeht und nun der Kahn gleich völlig lautlos durch die Traumlandschaft gleiten wird.“ Ruhig stakt Wilfried Banusch den Kahn durch die engen Leiper Fließe. Er weicht geschickt anderen Fahrzeugen aus und schickt den einen oder anderen Gruß über das Wasser hin und her – man kennt ihn, den Doktor.
Er erinnert sich an seine Zeit als junger Arzt im Spreewald: „Damals gab es nur schlecht ausgebaute Wege und kaum Autos, in den Dörfern war oft nur beim Bürgermeister ein Telefon, viele Häuser hatten auch keine Hausnummern. Wenn ich zu einem Notfall gerufen wurde, musste mich immer erst mal jemand am Dorfeingang abholen. Nachts wurde im ganzen Haus das Licht angestellt, damit ich wusste, wo ich hin sollte.“ Ein Landarzt, auch der im Spreewald, hat unmittelbaren Kontakt zu den Menschen, er ist nicht nur Heiler, sonder oft auch Ratgeber und Seelentröster. „Manchmal war ich auch Klempner und Heizer, wenn das Waschbecken verstopft oder es im Zimmer bitter kalt war. Eine Untersuchung des Kranken konnte dann erst erfolgen, wenn es einigermaßen warm im Raum war“, erinnert er sich an diese Zeit. Da blieb manchmal etwas mehr Zeit für Gespräche. Besonders die alten, oft allein stehenden Menschen, genossen diese Form der Zuwendung. „Doktor, Sie müssen mal wieder kommen, ihr Besuch hat so gut getan“ ließen sie dann ausrichten, wenn wieder schlechtere Tage folgten. Einmal nach Raddusch zu einem Krampfpatienten gerufen, widerfuhr ihm ein ungewöhnliches Erlebnis: Nachdem er den Patienten behandelt hatte, bat dieser, doch auch noch mal nach seinem Hund zu sehen: „Dem geht aus auch schon seit Tagen so wie mir, er hat immerzu Krämpfe!“ Dem Doktor war nicht ganz wohl dabei und er überlegte, wie er am besten aus der Situation heraus kommt, schließlich ist er kein Tierarzt, wollte aber auch seinem menschlichen Patienten nicht vor den Kopf stoßen. Als der Hund ihn kommen sah, verdrehte er plötzlich die Augen und verschied auf der Stelle. Das war dem Doktor dann doch ein wenig ungeheuerlich und vorsorglich schaute er nach mal zurück zu seinem Patienten, dem es wieder besser ging, wie der Arzt erleichtert feststellte.
Hausbesuche macht er bis zu seiner Beendigung seiner ärztlichen Tätigkeit im Januar 2012. Er unterstützt damit die Praxis seines Sohnes Hagen und nimmt ihm diese zeitraubenden Besuche ab. Oft sind es seine langjährigen Patienten, die er besucht. Patienten, die mit ihrem Arzt älter werden und mit ihm so manche Erinnerung teilen.
Nach der politischen Wende war Dr. Banusch einer der ersten Ärzte, die sich niederließen und eine eigene Praxis gründeten. „Diese Zeit war spannend und aufregend, jeder Tag brachte Neues. Allerdings nahm der Verwaltungsaufwand stark zu, denn das Abrechnungswesen war völlig neu für uns. Andererseits konnte ich mich auf Gebieten weiterbilden, die es vorher überhaupt nicht gab.“ Wilfried Banusch belegte Akupunkturkurse in Dresden und Elsterwerda, er wurde zum Gründungsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg und war später im Vorstand der Ärztekammer tätig. „Die einen waren für die ‚Monetik‘, die anderen für die Ethik zuständig“, erklärt er leicht schmunzelnd. „Inzwischen war ich auch als Kreisportarzt tätig. Mein Tag hatte fast immer 12 Arbeitsstunden, hinzu kamen noch die Bereitschaftsdienste.“ Ziemlich ungern erwähnt er, dass er schon sehr früh, 1987, zum Sanitätsrat ernannt wurde: „Ich war nicht in der Partei und konnte deshalb nicht Medizinalrat werden. Sanitätsrat wurden eigentlich nur die älteren Ärzte, sozusagen als Dankeschön für ein erfülltes Berufsleben. Für diese ‚Auszeichnung‘ fühlte ich mich einfach noch zu jung!“
Als die Sonne in den Büschen verschwindet, ist der Kahn wieder an der Datsche angelangt und festgemacht. Wieder rasselt die Kette, wieder geht ein Lächeln über das Gesicht des Dr. Banusch: Eine schöne Spreewaldkahnfahrt geht zu Ende.
Sein Mediziner-Tipp: Täglich einen Esslöffel Leinöl auf nüchternen Magen, wer will und es sich gesundheitlich leisten kann, gern auch mit Zucker oder Salz, mit oder ohne Brot. Der gesundheitliche Wert des Öles ist unbestritten, es hält den Kreislauf sauber und hilft auch gegen viele anderen Erscheinungen, die die moderne Ernährung mit sich bringt. Es ist für die Haut gut und hilft dem Körper beim Entgiften.
Peter Becker/peb1 – 11.05.2011
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