Vom Arzt zum Whiskybrenner
„Irgendwie geht es immer!“ Dem Bremer Abiturienten Torsten Römer schien 1970 erst mal der Traumberuf verbaut. Für das Medizinstudium wäre laut Numerus clausus ein Notendurchschnitt von 1,0 nötig gewesen, mit seinen 2,3 war er weit davon entfernt. „Da gehe ich eben für zwei Jahre zum Bund als Sanitäter, das bringt mich 0,5 Punkte näher an mein Ziel heran“, zeigt er sich kurzentschlossen. Er ist ohnehin ein Freund schneller Entscheidungen und wird es auch ein Leben lang bleiben: „Wenn ich erst lange überlege, sehe ich die vielen Schwierigkeiten und lasse dann vielleicht von meinen Vorhaben ab. So kann ich mir keine Träume erfüllen. Rein und durch – so lautet schon immer meine Maxime!“.
Das Studium einiger Semester Biologie und anderer naturwissenschaftlicher Fächer trägt zum weiteren Punktesammeln bei und öffnet ihm letztlich die Türen der medizinischen Fakultät der Freien Universität Berlin. Der junge Arzt arbeitet nach der Ausbildung als Radiologe am Klinikum Steglitz und zeigt sich von der noch jungen Entwicklung im Bereich der Computer gestützten Diagnoseverfahren begeistert. Nebenbei und als Ausgleich für die Arbeit am Bildschirm restaurierte er -alte Häuser. Nach dem Verkauf einer historischen Wannensee-Villa und von weiteren modernisierten Gebäuden in Dänemark und Potsdam waren nun die materiellen Grundlagen für den Erwerb einer eigenen Immobilie gegeben. Als Arzt war er nicht mehr tätig, zu sehr war er inzwischen vom Verändern und Gestalten besessen. Inzwischen mit Anja, einer Dänin und ehemaligen Stewardess bei einer britischen Fluggesellschaft verheiratet, kam es durch verwandtschaftliche Kontakte aber erst einmal zu einer ganz anderen Unternehmung: Mit großflächig aufgezogenen Verkäufen von Kinderschuhen aus einer dänischen Insolvenzfirma wurde das eigene Kapital noch einmal kräftig aufgestockt. Durch Kundenkontakte erfuhren sie eher beiläufig, dass im Spreewald, in Schlepzig, eine Gaststätte zum Verkauf stand. Kurz entschlossen kam es zur Besichtigung des „Grünen Strandes der Spree“. „Mit gefiel es auf Anhieb im Spreewald, er erinnerte mich an das Bremer Umland meiner Kindertage“, erzählt Torsten Römer. Am Tag der Preisfeststellung der Immobilie durch einen bestellten Gutachter donnerten die Antonows und Tupoljews der aus Wünsdorf abziehenden russischen Truppen über Schlepzig. „Der hatte es dann eilig und machte einen Preis, den wir sofort akzeptierten.“ Nun begannen die Mühen des Alltags, es wurde projektiert und manches wieder verworfen, es wurde um- und angebaut, renoviert und modernisiert. Am 1. Januar 1993 sollte es soweit sein: Die Traditionsgaststätte, die schon 1788 das Brau-, Brenn- und Schankrecht erhielt, wurde wieder eröffnet. Die Familie hatte noch zuvor Silvester und seinen Geburtstag („Ich war die Silvesterüberraschung meiner Eltern!“) in den neu hergerichteten Räumen gefeiert. „Das an sich freudige Ereignis einer Wiedereröffnung barg dann doch einen Kulturschock in sich“, erinnert sich Römer. Punkt 12.00 Uhr am Neujahrstag drehte er von innen den Schlüssel herum und ließ die ersten Gäste rein. Mit „Gib mir mal n‘ Bier!“, zugerufen von einem silvesterkatrigen Schlepziger, spürte der Doktor rein körperlich, worauf er sich eingelassen hatte. „Bisher immer als Weißkittel hoch geachtet, nun hinterm Tresen launische Gäste zu bedienen - das war nichts für mich“, stellte er ernüchtert fest. „Ich bin kein Wirt, ich bin eher ein Anti-Wirt. Ich laufe weg, wenn die Kneipe zu voll oder auch zu leer ist. Solche Dinge überlasse ich lieber anderen, am besten meiner Frau. Wer mich an der Theke sucht kann mich vielleicht dort finden, aber stets davor!“ In einer der seltenen Pausen genießt er mal ein Weißbier, Hochprozentiges ist dem Schnapsbrenner verpönt: „Aber nicht aus medizinischen Gründen, ich mag es einfach nicht!“
Torsten Römer ist der Macher, der Gestalter und Ideengeber, von ihm gehen die Impulse für die weitere Entwicklung seines Unternehmens aus. Wenn er ganz für sich allein sein will und ungestört seine Entwürfe für den neuen Brennereihof studiert, zieht er sich ins zweistöckige Reed gedeckte Baumhaus zurück. Oder geht zu seinen Kühen, den Charolais- und Kobe-Rindern, auf der Weide neben den Streuobstwiesen. „Ich brauche nur selten einen Architekten, ich kann mir selbst vorstellen, wie das Leben und das Arbeiten mal auf diesem Hof unweit der Traditionsgaststätte aussehen wird“, ist er überzeugt. Im „Spreewaldini“ wird es dann im Sommer Eis geben, im Herbst Marmeladen und Schinken und zu Weihnachten Schokolade und Pralinen. Natürlich aus der eigenen Herstellung. Nebenan wird Schnaps destilliert und in Eichenfässern zu Whisky, Rum und Korn gelagert. Die Namen hat er auch schon kreiert: Blota-Rum Nr. 1, Sloupisti-Whisky und Wussilo-Korn. Blota steht für Spreewald, Sloupisti für Schlepzig und Wussilo für einen Wendenfürst, der in Schlepzig der Sage nach sein Unwesen treib. Die Ideen und Schlagworte sprudeln nur so: Da wird der Carport zum Gärport, von der Hauswand kommt sein Traubenbrand. An den Gebäuden ranken schon heute Wein und Kiwis, in den Blumenkübeln wachsen Tomaten. „Eine Verschwendung solch wertvoller Anbauflächen für Blumen oder gar für Zierpflanzen kann ich mir nicht vorstellen. Bei mir muss alles seinen nützlichen Sinn haben“, gibt er seine Grundüberzeugung preis. Gibt es mal nichts zu planen oder zu auszudenken, sitzt Torsten Römer in einer Ecke und „dilletiert an der Gitarre“, wie er sein Musikspiel bezeichnet. Etwas Schauspielerisch-Musikalisches schien ihm 1950 in die Wiege gelegt, denn Vater Helmut spielte Akkordeon und Mutter Margot war vom Swing begeistert. Als Schüler trat Torsten in Bremer Laienspielgruppen auf. Sein Interesse für medizinische Probleme und Neuerungen ist nach wie vor vorhanden. „Ich beobachte, was in meinem Fachgebiet geschieht und nehme an den Entwicklungen Anteil.“ Dennoch sind Torsten und Anja Römer für immer im Spreewald angekommen und fühlen sich hier wohl. In der ruhigeren Jahreszeit wandert das Paar durch die stille Landschaft und erschließt sich immer mehr den Spreewald. „Wir sind zwar kinderlos geblieben, erfreuen uns aber an unseren Bernersenn-Hunden, nun schon mit Nummer 3, der „Brando“ heißt, wie es sich für einen Brennereihund geziemt.“
Torsten Römer ist ein Mann, der zeigt, wie es gehen kann. Entschlossen, aber nie mit dem Kopf durch die Wand, hat er bisher jedes Ziel erreicht. Mit dem Brennereihof, dem neuesten Projekt, wir er Schlepzig und den Spreewald bereichern. Er ist sich sicher, dass das ein Erfolg wird. Irgendwie geht es immer.
Deftiger Grünkohl- Norddeutsches im Spreewald (für 4 Pers.)
600 g Grünkohl |
gut gewaschen und gezupft in einen Schmortopf geben. |
6-7 mittelgroße Zwiebeln |
gehackt und in Gänseschmalz ausgelassen hinzufügen und zusammen mit |
200 g ungeräuchertem |
und |
200 g geräucherten Bauchspeck |
sowie |
400 g Kassler |
und |
3-4 Brägen- oder Prinkelwürsten (oder Gänsefleisch) |
ca. 2 Stunden gewürzt mit |
Salz, Pfeffer und reichlich Pigment |
schmoren. Zum Schluss etwas |
Grütze oder Haferflocken |
zur Bindung zugeben. Dazu passen Salzkartoffeln und Maronen (Esskartoffeln).
Ein guter Bordeaux und ein Gläschen Korn runden die Mahlzeit ab. |
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Peter Becker, 10.12.10
www.spreewaldbrauerei.de
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