Erich Konzack

Erich Konzack, Leipe

  • 30 Jahre Besitzer der Dubkow-Mühle
  • Unternehmer in der Ukraine

Erich Konzacks unverhofftes Erbe

„Erich, schau mal, was ich gefunden habe!“ Anna …., von allen nur Tante Anna genannt, hatte sich die Mühe gemacht und die Papiere aus den Kartons ihres vor Monaten verstorbenen … August Konzack zu ordnen. Inmitten loser Blätter fand sie sein Testament. Erich Konzack, der Großneffe, war völlig überrascht, als er seinen Namen las und dass er nun der alleinige Erbe der Dubkowmühle sei. „Das brachte mir mehrere schlaflose Nächte ein, denn einerseits fand ich es sehr ehrenvoll, seine Nachfolge antreten zu dürfen, andererseits sah ich den Riesenberg Aufgaben, der mit der halbverfallenen Mühle auf mich zu kam. Wie ich später erfuhr, war noch nicht mal der Kredit von 1935 getilgt, weshalb sogar Tochter Hilde … auf ihr Pflichtteil verzichtete“, erinnert sich Erich Konzack an diesen Moment des Erbschaftsantritts.
Der 1938 in Fleißdorf geborene Erich war der Sohn des Maurerpoliers Friedrich Konzack und der Hausfrau Elisabeth Konzack. Mit Schwester Erika wuchs er im ländlich geprägten Umfeld auf. Als Junge war er natürlich häufig auch im Spreewald unterwegs, wenn es die Zeit in der elterlichen Wirtschaft, der neben der Maurertätigkeit des Vaters betrieben wurde, erlaubte. „Wir Kinder sind damals nur Barfuß gegangen, auch zur Schule nach Naundorf/Fleißdorf,  für die kalte Jahreszeit hatten wir gerade mal Holzlatschen. Mein erstes paar Schuhe bekam ich 1952 zur Konfirmation von einer Tante aus Westberlin geschenkt, dabei auch eine Tafel Schokolade, die erste in meinem Leben“, kann sich Erich noch gut erinnern. In die Kinder- und Jugendtage fallen auch die Besuche bei seinem Großonkel August Konzack in der Dubkow-Mühle. „Dort habe ich mich immer besonders wohl gefühlt. Der Gaststättenbetrieb, die Urlauber, die vielen Tagesgäste, die mit dem Kahn ankamen…. da gab es immer was zu gucken und zu staunen.“
Gleich nach der Schule begann Erich eine Lehre als Elektromonteur in Calau, die ihn nach der Ausbildung als Schiffselektriker an die Warnow-Werft nach Rostock führte. Dort musste er Leitungen auf im Krieg versenkten und später gehobenen und reparierten Schiffen legen, die dann als Separationsleistungen an die Sowjetunion gingen. Auch auf den neu gebauten Flussfahrgastschiffen, die ebenfalls in die UdSSR geliefert wurden, wurde er tätig. „Das war eine schöne Zeit, ich durfte immer mit auf die Probefahrten in die Ostsee gehen, die mehrere Tage dauerten. Für die Besatzung gab es dann sehr günstig zollfrei Zigaretten, die ich als Nichtraucher meinem Meister mitbrachte. Das hatte zur Folge, dass ich bald wieder von ihm mit dem nächsten Schiff auf See geschickt wurde.“
Es folgten Montagezeiten in Eisenhüttenstadt und Schwarze Pumpe. Anders als heute wurden diese Wege mit der Bahn oder günstigstenfalls mit dem Motorrad zurückgelegt. Erich wohnte inzwischen in Koßwig, war verheiratet und bald Vater von zwei Töchtern, Jutta und Ilona, und dem Sohn Matthias. „Mit dem Motorrad, einer ‚Zündap‘ war ich Tausende Kilometer unterwegs, bei Wind und Wetter! Das konnte ich natürlich nicht ewig machen, deshalb wählte ich 1971 den Weg in die Selbständigkeit und ließ mich mit einer kleinen Elektro-Werkstatt in Koßwig nieder. Den ersten ruhigen Jahren folgten mit der Erbschaft der Dubkowmühle aber bald turbulente Zeiten. Erich begann mit der Renovierung und einigen Umbauten am und im Haus. „Wenn das alles damals nur so einfach gewesen wäre, wir es heute ist“, seufzt er in Erinnerung an diese Jahre. „Einen Bezugschein für den Erwerb von drei Toilettenbecken und zwei Waschbecken bekam ich nicht vom Kreis, da kein Kontingent zur Verfügung stand“, wie es damals häufig hieß. Nur mit einem solchen Schein konnten damals im Handel diese und andere Artikel aus dem Baubedarf und –zubehör erworben werden. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Ziegelsteine für den Toilettenneubau gab es erst mal gar nicht. Es sei denn, Erich Konzack würde einige Stunden im Gegenwert der Steine im Ziegelwerk Buchwäldchen arbeiten. So wurde aus dem Elektriker ein Zeit-Ziegeleiarbeiter. Mit den so erarbeiteten Steinen konnte dann der Anbau fertiggestellt werden. Die sozialistische Zeit war eben auch eine in jeder Hinsicht „beziehungsreiche“ Zeit, die durchaus auch ihre Vorteile haben konnte. Ein „Vorteil“ war in der Person des Christian Klüder zu sehen: Der musisch begabte und mit viel Unterhaltungstalent versehene damalige Projektleiter des  Calauer Energieversorgungsunternehmens war häufig Gast in der Dubkowmühle. Heute, nun schon lange Rentner, unterhält er immer noch zu Himmelfahrt die zahlreichen Gäste an der Dubkowmühle mit seinem Gesang am Keyboard. Damals aber schmiedeten Klüder und Konzack einen Plan, wie die neu zu errichtende Hochspannungsstromleitung nach Leipe auch für die Dubkow-Mühle vorteilhaft angezapft werden könnte. Die Idee mit der Trafostation auf deren Grundstück war nur die halbe Miete. Der notwendige Hochspannungsanschluss die andere, denn seit 1958 gab es nur einen Niederspannungsanschluss.  Dafür gab es natürlich wieder einmal kein Kontingent, aber die Behörden hatten nicht mit der Findigkeit der beiden gerechnet. Die Tatsache ausnutzend, dass auf einem Nachbargrundstück ein Wochenendhaus eines Mitarbeiters eines Staatssicherheitsdienstes stand und das dem noch eine „Reihe weiterer Ferienobjekte folgen sollten, die dann an das Stromnetz angeschlossen werden müssten“, was frei erfunden war, folgten bald alle Stempel. Der Stromanschluss  der Mühle an das neue Netz mit Erweiterungsmöglichkeit für die Ferienobjekte, die nie kamen, wurde kurzfristig und in bester Qualität ausgeführt!
Es folgten noch weitere Umbauten in den Gasträumen, das Dach wurde neu eingedeckt und alles geschah unter den voran genannten Schwierigkeiten. Die von August Konzack ins Leben gerufene Legende vom Ochsenfrosch fand 1978 in einem Giebelbild vom Leiper Maler Rainer Loassck ihren sichtbaren Ausdruck. Bis dahin war an dieser Stelle noch der alte Werbespruch mit dem „elektrisch Licht“ zu sehen, den August Konzack schon in den Dreißigern anbringen ließ.
„Ich bin heute noch Arno Gerz dankbar, der mir in dieser Zeit sehr viel geholfen hat und durch sein Geschick so manches Problem lösen konnte“, erinnert sich dankbar Erich Konzack an den Radduscher, der noch heute in der Mühle mit anpackt, wo immer er gebraucht wird. Mit einem großen Frühlingsball der Handwerker wurde 1977 die Gaststätte nach der Umbauzeit wiedereröffnet. Dennoch war sie, zumal als Saisonbetrieb ausgelegt, als wirtschaftliches Standbein für die Konzack’sche Familie nicht ausreichend. Der Elektro-Meisterbetrieb musste weiterhin diese Aufgabe übernehmen, war zur Folge hatte, dass die Nebeneinnahmen aus dem Gaststättenbetrieb zu 95 Prozent versteuert werden mussten. „Jeder wird verstehen, dass wir damals nicht gerade hoch motiviert waren. Wir haben die Gaststätte nur der Tradition folgend geführt, aber auch häufig geschlossen halten müssen. Es wäre sonst zu unwirtschaftlich geworden. Meine damalige Frau und Tante Hilde betrieben das Gewerbe, ich war ja ins Elektro-Geschäft  eingebunden“, so Erich Konzack. Hinzu kam noch die schlimme Versorgungssituation. Obwohl ein Bestellkatalog für alle möglichen Dinge im Gaststättengewerbe vorhanden war, wurden die Bestelllisten regelmäßig zusammengestrichen. „Manchmal bekamen wir nur sechs Flaschen Kräuterlikör, statt der gewünschten Fässer Biere und Weine“, weiß sich Erich gut zu erinnern. Die dadurch bedingten häufigen „Schließtage“ sind noch so manchem Besucher von damals in Erinnerung.
In den Wendejahren änderte sich dies grundsätzlich und das Geschäft brummte. Viele Touristen und auch Prominente aus den westlichen Bundesländern gaben sich an diesem idyllischen Ort die Klinke in die Hand.
Erich Konzack wollte sich nach dreißig Jahren Gastwirtschaft und Gewerbebetrieb noch einmal umsehen, etwas Neues probieren und auch wagen. Viele zog es in den Westen, aber Erich wollte in die entgegengesetzte Richtung.

Nicht alle gehen in den Westen*

Erich Konzack hatte zur Jahrtausendwende viele Visionen. Eine davon war, noch einmal einen völligen Neuanfang zu wagen. Er stand zwar schon im 62. Lebensjahr und hätte sich sicher bald zur Ruhe setzen können - aber genau davor hatte er Angst: „Was soll ich vorm Fernseher oder in der Kneipe? Ich muss noch was Sinnvolles im Leben zu tun haben!“ Mit einem Freund, einem Unternehmensberater, wurde so manche Idee durchgesprochen und auch wieder verworfen, denn in Deutschland scheint es nicht sehr viel Spielraum für unternehmerische Tätigkeiten zu geben. Die logische Schlussfolgerung: Da gehe ich ins Ausland, aber im westeuropäischen Raum wird’s wohl auch nicht viel anders als in Deutschland sein, so seine Befürchtungen. Sein Freund hatte einige Geschäftskontakte zu russischen und ukrainischen Unternehmern und er schlug Erich Konzack den Einstieg in die ukrainische Hotellerie vor, denn da schien es noch viel zu tun zu geben. Und da „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ schon immer sein Credo war, übergab er die Gaststätte seiner Tochter und packte kurz entschlossen seine Koffer und fuhr nach Lutzk, eine ukrainische Stadt mit 260000 Einwohnern. Zu seinem Erstaunen waren die dortigen Behörden von dieser Idee gar nicht so begeistert und bauten ihm ungeahnte Hürden auf, so dass er bald vom ursprünglichen Plan Abstand nahm. Eine zufällige Begegnung mit dem Lutzker Bürgermeister lenkte ihn dann in eine völlig andere Richtung: „Ihr Deutschen habt doch gute Mähdrescher und bestimmt auch ein paar zu viel. Hier in der Ukraine herrscht Mangel an guter Technik,  damit sollten Sie hier Ihr Geld verdienen!“ Als gestandener Unternehmer erkannte Erich Konzack sofort die Zeichen der Zeit und machte sich in das vom Bürgermeister empfohlene Dorf Zhuravjici auf. Dort schlummerte noch alles wie zu Sowjetzeiten und erinnerte Erich an seine Kindheit im Spreewald. Kaum feste Häuser, nur alte Holzbauten, der Brunnen im Hof und keinerlei Sanitäreinrichtungen. Die Kolchose im Ort war pleite und viele der 1500 Einwohner ohne Arbeit. Mit dem ehemaligen Chef der Kolchose, der den Nachlass verwaltete, wurde man sich bald einig und er konnte einen größeren, aber schon fast verfallenen Garagenkomplex erwerben und bald auch sanieren. Da der ukrainische Staat sehr großzügig Investitionen in der Landwirtschaft unterstützt, z.B. durch zollfreie Importe von Landtechnik und Steuerfreiheit, wurde bald der erste Mähdrescher von Deutschland aus auf die Reise geschickt. Bei zwanzig Kilometern in der Stunde war die Technik in zwei Tagen und zwei Nächten vor Ort.
Die Ukraine wurde für Erich Konzack im Laufe der Jahre immer mehr zum Mittelpunkt seines Schaffens. Dort investierte auch noch in einen Lebensmittelmarkt mit Restaurant und Gästezimmern. Damit war der Grundstock für ein Dienstleistungsunternehmen geschaffen, mit seiner Technik stellte er sich dem Lohndrusch zur Verfügung. Jeder Bauer kann für 40 Dollar pro Hektar sein Getreide mähen lassen, der Mähdrescherfahrer ist mit zehn Prozent daran beteiligt. „Das ist auch notwendig so, denn die Mentalität der im Übrigen sehr freundlichen und aufgeschlossenen Menschen ist durch die frühere Tätigkeit in der Kolchose noch stark geprägt: Immer schön ruhig und wenn die Ersatzteile nicht kommen, dann warten wir eben bis was passiert“, lautet deren Lebenserfahrung. Inzwischen reparieren die Fahrer ihre Technik oft gleich auf dem Feld. Hier zeigt sich die einfache „Fortschritt“-Technik aus Singwitz besonders wartungsfreundlich. Die neuen Mähdrescher aus der inzwischen auf 7 angewachsenen Flotte sind zwar klimatisiert und voller Elektronik, aber eben nicht ganz so wartungsfreundlich.
 
Und wovon lebt man im Winter? „Ich wäre kein besonders guter Unternehmer, wenn ich nicht noch ein 2. Standbein hätte: Mein Magazin im Dorf entwickelt sich prächtig, hier bekommen die Leute so ziemlich alles, was es auch im deutschen Supermarkt gibt und zwar täglich von 8 Uhr bis 23 Uhr!“
Erich Konzack ist nun in zwei Welten zu Hause, denn er pendelt häufig zwischen der Ukraine und seinem Häuschen auf Dubkow. Die 1000 km fährt er oft am Stück. In Deutschland schaut er sich immer mal wieder nach neuer bzw. preiswerter Mähtechnik um. Erst im letzten Jahr hatte er bei einem Heimatbesuch wieder einen Mähdrescher für 100 000 EUR in Singwitz geordert. Er könnte noch viel mehr gebrauchen, aber man soll nur so viel Geld ausgeben, wie man eingenommen hat – sein wichtigtes unternehmerisches Credo.
Immer wieder geht es zurück in sein neues anderes Leben, wo er eigentlich schon lange angekommen ist, denn er spricht inzwischen fast perfekt die ukrainische Sprache, die ja dem Wendischen so ähnlich ist, wie er festgestellt hat. Das bringt ihm die Dorfbevölkerung noch näher. Er wird als größter Arbeitgeber sehr geachtet, er spürt auch keinerlei Berührungsängste ihm, dem Deutschen gegenüber, was ja nach dem verheerenden Krieg verständlich gewesen wäre. Und an seinen „Ordnungstick“ haben sie sich inzwischen auch gewöhnt und achten zunehmend selbst mehr darauf. Sie wissen , womit sie ihm eine Freude machen können. Das lässt ihm das Herz für diese Menschen erwärmen und voller Freude die Rück- oder die Heimreise – so genau weiß er das selbst nicht mehr- antreten.
In der Dubkow-Mühle hält er sich zeitweise auf, immer dann, wenn es mal etwas ruhiger in der Ukraine ist. Aber nicht lange. So pendelt er immer noch zwischen beiden Orten und zeigt dabei nach oben: „So lange es der da will!“

Ist er mal wieder in Dubkow, nimmt er sich den Spreewaldkahn und seine Netze und fährt zum Fischen. Hier kann er ausspannen, hier ist er der Kindheit und Jugend im Spreewald ganz nah. Hier kann er auch über neue Projekte nachdenken, die ihn auch bald wieder unruhig werden lassen. Dann ist der Zeitpunkt für eine Fahrt gen Osten gekommen.

 

Erich Konzack

mehr im Buch von Peter Becker "Die Dubkow-Mühle"

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