Manuela Filko

Manuela Filko, Lehde

  • Vereinsvorsitzende
  • Kahnfahrerin, Vermieterin


„Die von hinter Schranke“


Manuela Köhler schien der Weg vorgezeichnet: Aufgewachsen in der Lübbenauer Neustadt, eingebunden in ein  einheitliches Bildungs- und Betreuungssystem und eine gesicherte Ausbildung vor Augen, wäre sie den Weg vieler Hunderter Gleichaltriger gegangen. Dies war anfangs auch bei ihr der Fall; in den Achtzigern ging alles noch seinen gewohnten Gang. Mit ihrem sehr guten Schulabschluss in der Tasche sollte sie eigentlich sogar „was Besseres“ werden, wie ihre Eltern meinten. Der angedachte Erzieherinnen-Beruf zerschlug sich aber nach mehreren Betreuungsversuchen ihrer kleinen Verwandten: „Das ist nichts für mich, ich will was Konkretes machen“, lautete ihr damaliger Entschluss – und erlernte den Beruf eines Zerspanungsfacharbeiters. Die sportliche junge Frau mit dem Hang zu Jungensberufen („An dir ist ein Junge verlorengegangen“, so die Eltern, die auch deren Drang, in der Natur herumzustreichen, bemerkten) fühlte sich in der zumeist männlichen Umgebung ausgesprochen wohl. Auf der Arbeit, im RMZ Vetschau, fand sie in Harry, einem Lehd’schen, auch den Mann fürs Leben. Für ihn kam sie von „hinter Schranke“, wie die Einheimischen die Lübbenauer Neustadtbewohner wegen ihrer  Lage jenseits der Bahnstrecke bezeichneten. Manuela „tauchte somit ins Spreewalddorf und seine Traditionen ein“, wie sie heute die Konsequenzen ihrer Partnerwahl beschreibt. Schon immer der Natur zugewandt, half sie gern im Alltag der schwiegerelterlichen Kleinbauernfamilie mit, sie lernte  das Kahn fahren und war oft auf dem Gurkenacker anzutreffen. Auf dem Hof ging es dann an die Verarbeitung des begehrten Spreewaldgemüses. Frisch wie es frischer nicht geht, wurde dabei so manche Gurkenportion direkt vom Hof in die Kähne der Touristen verkauft.


Mit Kahn und Fahrrad bei Wind und Wetter unterwegs


Am 1. September 1983 begann Manuela Köhler ein Ingenieurstudium in Wildau – um schon am 2. September ihren Harry zu heiraten und eine Filko zu werden. Auf dem Lehd’schen Hof sollten nun eigentlich mehrere Umbauten stattfinden, die aber letztlich nicht genehmigt wurden. Lediglich der halbe Stall konnte zum Wohnhaus für die junge Familie umgebaut werden, die andere Hälfte beherbergte weiterhin die Kühe der Schwiegereltern. Nach dem Studium kamen die Kinder Christin und Thomas zur Welt. Die junge Mutter musste nun eine Reihe von Dingen unter den Hut bringen: Den Kinderwagen in den Kahn und bis zur Festlandseite staken, die Kleinen aufs Fahrrad setzen und dann in der Krippe oder im Kindergarten abgeben um schließlich mit dem Bus nach Vetschau zur Arbeit zu fahren. Nach Feierabend verlief die ganze Prozedur, nun auch noch mit dem Einkauf, in umgekehrter Richtung. „Wer in Lehde überm Wasser wohnt, muss Kahn fahren können. Ansonsten ist er hier fehl am Platz“, lautet ihre Erfahrung aus dieser Zeit.


Schwimmende Misthaufen – ein bald vergessener Anblick


Die sich in der Nachwendezeit im Inseldorf auswirkenden Veränderungen blieben auch für ihre Familie nicht ohne Folgen: Plötzlich waren die Landwirte dem freien Markt ausgesetzt. Viele wollten aufgeben, einige taten es auch und orientierten sich neu und boten Ferienzimmer und Kahnfahrten an. Sie lebten zunehmend mehr vom und für den sich gut entwickelnden Tourismus - wie eben auch die Filkos. Dass, was die Urlauber sehen wollten, schien dennoch bald zur Vergangenheit zu gehören. „Ich weiß von meinen Kahnfahrten mit den Gästen, dass sie einen Bauern mit  Misthaufen auf dem Kahn als Sensation ansehen – wo gibt es in Europa Ähnliches? Das Ursprüngliche wollen sie noch im Original erleben, so als wäre die Zeit stehengeblieben: Der Landwirt auf dem Gurkenacker, die Kuh auf der kleinen Wiese zwischen den Fließen, die Heuschober und der hofeigene Hafen, die Lehder sagen dazu Gässchen, mit dem Grünfutter im Kahn – das macht das Inseldorf Lehde aus.“ Sie und andere Lehder wollten nicht zusehen, wie das alles in wenigen Jahren verschwunden sein könnte. Gemeinsam gründeten sie 1992 den Förderverein Lehde e.V. deren Vorsitz sie, auch nach „leichten Anschubsern“ ihres Schwiegervaters, schon nach kurzer Zeit übernahm und nun seit 15 Jahren innehat.
Der Verein kann zwar Gelder durch das traditionelle Lehdefest erwirtschaften, aber dies in einem zu geringem Umfang, um wirksam helfen zu können. Viel wichtiger ist seine politische Funktion, um wirksame Unterstützung einzufordern. Die rührige Vereinschefin lässt kaum eine Gelegenheit ungenutzt, um nicht auf die Probleme der Lehd‘schen hinzuweisen. Im Februar 2011 hatte der Verein den Brandenburger Ministerpräsidenten als Gast, um ihn ganz eindringlich um Unterstützung zu bitten: Entweder die Kulturlandschaft Spreewald  und die dörflichen Strukturen auch für zukünftige Generationen erhalten oder ein „Scheindorf“ – mit negativen Folgen für den Tourismus, der für viele inzwischen die wichtigste Einnahmequelle darstellt. Auch Filkos vermieten,  wie viele andere im Dorf, inzwischen an Gäste und bieten Kahnfahrten an.


Mit Temperament ins Wasser


Manuela hatte schon frühzeitig die Kahnfährprüfung abgelegt und stakt nun schon seit fast zwei Jahrzehnten Besucher durch den Spreewald. Manchmal auch in Tracht, den Gästen immer den Spreewald und seine Bewohner erklärend. Die Temperamentvolle gestikuliert dabei auch gern, oft sogar mit der Rudel in der Hand und – fiel einmal prompt ins Wasser: Das Rudel hatte sich in einer morschen Kastanie am „Fröhlichen Hecht“ verfangen und katapultierte sie rückwärts ins Fließ. „Da schwammen sämtliche Röcke oben, aber ich habe es mit Humor genommen“, erinnert sie sich an diesen Vorfall. Die Gäste hielten sich und den Kahn in der Zwischenzeit am Ufer fest, während die Kahnfährfrau in der patschnassen Tracht ins nahe Zuhause eilte: „Das wurde dann noch eine ganz vergnügliche Kahnfahrt!“ Und es blieb nicht bei dem einen Vorfall- ein zweiter folgte: Gleiche Ausgangssituation, gleiches Ergebnis! „Wer nicht schon mal mindestens einmal richtig ins Wasser gefallen ist, ist kein Spreewälder“, tut sie solche Reinfälle ab.


Im ruhigeren Fahrwasser


Im Winter bleibt endlich Zeit für Hobbys wie Schlittschuh laufen, falls das Eis mal dick genug ist oder für die Hausmusik mit Freunden. Für die Medien ist sie ein gefragter Interviewpartner, immer wieder ist sie mit Drehteams in den verstecktesten Winkeln des Spreewaldes unterwegs. Häufig ist sie auch mit Enkeltochter Mary-Sue anzutreffen, mit dabei Mischlingshund  Lilli. „Ich möchte meine Enkelin für die Natur und die Liebe zur Heimat begeistern. Schließlich wäre es schön, wenn diese Generation sich auch mal so einsetzen wird, wie wir es getan haben und immer noch tun“, lautet ihre Grundauffassung.
Inzwischen denkt sie darüber nach, den Vereinsvorsitz doch so langsam mal an einen anderen oder eine andere zu übertragen: „Nach so langer Zeit ist ein Generationswechsel angesagt.“ Sie blickt optimistisch in die Zukunft: „Irgendwie geht es ja immer weiter. Inzwischen haben wir ja wieder viele engagierte junge Leute im Dorf, die trotz aller Schwierigkeiten gern hier leben, wenn sie auch oft noch woanders arbeiten müssen.“ Manuela Filko möchte auch weiterhin ihre Kräfte und ihr Wissen zum Wohle des Dorfes einbringen, wenn vielleicht dann auch mal aus der zweiten Reihe heraus.

 

Peter Becker/peb1, 11.03.2011


Filko ist die wendischen Kurznamensform von Phillip

 

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