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Dem 1968 in Lissabon geborenen Frederico schien alles andere in die Wiege gelegt zu sein, als einmal Gut Dubrau, tief in Deutschlands Osten gelegen, zu führen. Frederico Graf zu Lynar war das erste Kind der Beatrix Gräfin zu Lynar, geborene Freiin Droste zu Vischering Padtberg und des Guido Graf zu Lynar. Vater Guido war im Auftrag eines großen deutschen Chemiekonzerns in Portugal tätig, wurde aber gleich nach Fredericos Geburt nach Mosambique versetzt. Nach fünf Jahren ging es wegen der dortigen politischen Unruhen wieder nach Portugal zurück. Der junge Graf besuchte die deutsche Schule in Lissabon und ging dann als Fünfzehnjähriger auf ein Internat nach Heidelberg. Nach dem Abitur stand eine Karriere bei der Bundeswehr an, die mit dem Besuch der Bundeswehrhochschule bei München einherging, aber nicht mit einem Abschluss endete. Die inzwischen veränderten politischen Verhältnisse in Deutschland ließen die Lynars wieder hoffen, ihren angestammten Familienbesitz zurück zu erlangen. Und die Aussichten standen dafür mehr als gut, denn die Enteignung der gräflichen Familie wurde bereits 1944 durch das NS-Regime vollzogen. Großvater Wilhelm Friedrich zu Lynar gehörte zu den Mutigen, die einen Putsch gegen Hitler wagten und dafür mit den Leben zahlten. Anträge des Onkels Christian und des Vaters Guido zu Lynar auf Restitution wurden deshalb bearbeitet und auch bald positiv beschieden. Nun war die ganze Familie gefragt, jeder musste sich auf ein völlig neues, dennoch irgendwie aus Erzählungen bekanntes Leben auf den angestammten Besitztümern vorbereiten. „Uns war allen sehr wohl bekannt, welche Güter und Liegenschaften wir mal im Spreewald hatten. Kaum ein Familientreffen in den vielen Jahren sparte dieses Thema aus, alle freuten sich nun auf die neuen und zugleich auch alten Aufgaben“, blickt der Graf heute zurück. Auch für ihn, der mit Zustimmung der Familie das Gut Dubrau bewirtschaften konnte, sollte sich das Leben spürbar verändern. „Mit einem Panzerführerschein kann ich kein Gut führen, ich habe auch gar keine Ahnung von Landwirtschaft“, resümierte der junge Leutnant damals und zog die entsprechenden Konsequenzen. Der Bundeswehrabschied wurde eingereicht und ein Studium an der Landwirtschaftshochschule Weihenstephan begonnen und auch erfolgreich abgeschlossen. Mit nach Dubrau nahm er dann auch seine Frau Nicole Franziska, nun auch eine Gräfin zu Lynar, die er an der Hochschule kennenlernte. Schon während des Studiums verbrachten die jungen Leute Semesterferien und zahlreiche Wochenende auf dem aufgegebenen Gut und richteten es einigermaßen wohnlich her. Die große Abgeschiedenheit und nur von einem Nachbarn umgeben, machten den Großstädtern das Eingewöhnen nicht leicht. Da fiel es sogar auf, das jede Nacht ein Auto auf den Gutshof fuhr und auch gleich wieder verschwand. Der Ex-Offizier legte sich auf die Lauer und stellte – den Zeitungsboten, der treu und redlich die „Lausitzer Rundschau“ in den Briefkasten steckte. Mit 50 Kühen, gekauft auf Kredit, und 30 Hektar Land gründete die gräfliche Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb, von Anfang an ökologisch orientiert. Eine riesige Fotovoltaikanlage, ebenfalls kreditfinanziert, ist auf den Stallungen und soll einmal Gewinn abwerfen. Inzwischen sind es nur noch 15 Kühe, weil es sich wirtschaftlich nicht anders trägt, dafür aber über 600 Hektar landwirtschaftliche Flächen. Angebaut wird Bio-Roggen, Weizen, Futtererbsen, Buchweizen und Hirse. Die Familie setzt auch auf Tourismus und unterhält zwei moderne Ferienwohnungen. Gräfin Nicole Franziska zu Lynar hält in den Herbst- und Wintermonaten literarische Abende und lädt dazu Gäste auf Gut Dubrau ein. Frederico Graf zu Lynar bringt sich ebenfalls in das gesellschaftliche Leben ein und ist für die CDU-Ortsgruppe Vetschau als Stadtverordneter tätig. Es erfüllt ihn mit Stolz, dass er schon nach einem Jahr entscheidend an einem Richtlinienvorschlag, nach dem finanziell benachteiligten Jugendlichen die Mitgliedschaft in Vereinen ermöglicht wird, mitgewirkt hat. Ein wenig schmunzelnd nimmt er die gelegentlichen Unsicherheiten im Umgang mit seinen Namen zur Kenntnis: „Die Adelstitel sind zwar per Gesetz abgeschafft, es bleiben aber alle Namensbestandteile. Deshalb ist ‚Herr Graf‘, ‚Herr Graf zu Lynar‘ oder nur ‚Graf zu Lynar‘ eine korrekte Anrede, wogegen ‚Herr Lynar‘ etwas salopp ist, ich aber meinen Gegenüber deswegen auch nicht ständig korrigieren möchte. So lebt es sich nun mal mit einem ererbten Namen!“ Sicher wird es den vier Kindern der Familie auch so oder ähnlich ergehen. Das Namensproblem ist aber vernachlässigbar - irgendwann werden auch diese Kinder in die Lynar‘sche Familientradition eintreten und die seit Jahrhunderten bestehende Verantwortung für große Teile Spreewaldregion übernehmen. Peter Becker, 04.12.09
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