Fritz Wendig

Gastwirt "Deutsches Haus" Burg


Dem Gastwirt Hermann Wendig war es ganz recht, dass ihm Anfang der 50iger Jahre zwei Söhne geboren wurden. Damit stand der Familientradition nichts im Wege. Schon er hatte von seinem Vater Hermann die Gaststätte übernommen, wie dieser seinerzeit von Adolf Wendig. Der kam um 1880 aus dem westpreußischen Schneidemühl und arbeitete bei einem Cottbuser Drogisten. Dort lernte er die Burger Gastwirtswitwe kennen – und wurde ihr siebenter Ehemann. Alle sechs Männer vor ihm raffte die Krankheit hinweg, Cholera soll ‚s gewesen sein. Die Gastwirtin, vermutlich die Witwe Mirsch, betrieb damals das Deutsche Haus, das ehemalige Zollhaus an der preußisch-sächsischen Grenze. Bis 1815 mussten hier die Waren verzollt werden. Wartezeiten überbrückte man schon damals gern in einer Gaststätte! Carl Fabian war der erste Gastwirt, ihm wurde 1791 die Schankerlaubnis erteilt.
Fritz Wendig wurde 1952 geboren, im Wohnhaus der Burger Gastwirtsleute Hermann und Marianne Wendig. Auch sein Bruder Manfred kam dort zur Welt. Schon früh mussten beide Jungen in der Landwirtschaft mithelfen, die damals zu fast jeder Gaststätte gehörte. Nur durch einen Großteil Eigenversorgung war ein einigermaßen wirtschaftliches Arbeiten möglich. Wenn es um die freiwillige Übernahme von Arbeiten ging, war Fritz lieber gern am Zapfhahn und half in der Gaststätte. Bruder Manfred zog es eher zu den Tieren, zu den Pferden. Er wurde später ein erfolgreicher Jockey in Berlin und gewann über 300 Rennen! Fritz lernte 1967 in Cottbus Koch. Im Haus des Handwerks, im Stadt Cottbus und in anderen damals sehr bekannten und beliebten Gaststätten rührte er den Kochlöffel unter Anleitung von Lehrköchen. Kaum den Facharbeiter in der Tasche, ging es zu um obligatorischen Grundwehrdienst, nach Meiningen – natürlich als Koch. Damals nicht die unangenehmste Art den unbeliebten Wehrdienst zu absolvieren! Zurück in Cottbus, folgte eine Zeit als Koch in der HO-Gaststätte Zum Bergmann. Hier waren auch die Stamm- und Betriebsesser von nebenan zu versorgen. Darunter war auch Carmen, vom Optikladen gegenüber. Beide fanden sich sympathisch und liebenswert, die Ehe schlossen sie 1983. Inzwischen hatte 1978 Hermann Wendig das Burger Haus auf seinen Sohn Fritz überschrieben – der Weg für die junge Familie war klar. Beide modernisierten und bauten es für ihre Zwecke um, und am 1. Januar 1984 übernahm Fritz von seinem Vater auch noch die Verantwortung für das Deutsche Haus. Damals waren die Einschränkungen für Privatwirtschaften enorm und bis ins Detail geregelt. „Wir durften nur als Kommissionshändler auftreten, nur Getränke und einen Imbiss anbieten, die Preise waren vorgeschrieben“, erinnert sich Fritz Wendig an die schweren Jahre. Erfinderisch, wie er war und ist, hat der junge Gastwirt den Getränkekonsum ordentlich durch zahlreiche Veranstaltungen im Saal angehoben. Für Familienfeiern mussten die Gäste allerdings ihre Speisen mitbringen! In der kleinen Küche, mit Kohleofen, wurden sie dann aufgewärmt oder zu Ende zubereitet. „Glücklicherweise stand auch Soljanka auf der Imbisskarte! Wir machten daraus ein legendäres Tellergericht, letztlich ein Mittagessen“, gibt heute Fritz Wendig eine ganz legale Trickserei von damals schmunzelnd preis. Bockwurst und Getränke kaufte er im Konsum, dafür gab es eine Verkaufsprovision. Für eine Bockwurst durften wir nur 95 Pfennig vom Gast kassieren – da mussten wir schon ganz schön viel umsetzen, um von der Provision leben zu können“, erinnert sich der Gastwirt an die Zeit, in der auch die Kinder des Paares heranwuchsen.
In der 70iger Jahren waren Ernteeinsätze an der Tagesordnung. Fritz half schon damals bei seinem Vater mit, wenn es galt, größere Feierlichkeiten abzusichern. Betriebe, Schulen und sogar das Militär, NVA und Sowjetarmee, mussten helfen, die Ernte einzubringen. Im Deutschen Haus gab es einmal eine Dankeschönveranstaltung für die sowjetischen Kartoffelhelfer, für die Offiziere in der Gaststube mit allem Drum und Dran. Die Soldaten durften im Saal bei einer Cola sitzend warten. Die Damen und Herren vom gleichzeitig anwesenden Concordia-Gesangsverein empfanden das als ungerecht und versorgten die Soldaten heimlich mit Bier, während ihre Offiziere ordentlich feierten. Ein Offizier bekam Wind von der „Hilfsaktion“ und ließ erbost sofort abfahren. Es soll nicht einfach gewesen sein, alle Soldaten auf den Lkw zu bekommen! Ein anderes Mal hatte Fritz Wendig Mitleid mit dem Fahrer eines sowjetischen Jeeps. Dessen Fahrgäste feierten im Saal, er aber durfte das Auto nicht verlassen. Der Gastwirt übergab ihm als Trost eine Flasche polnischen Büffelschnaps, damit er am Zielort nachholen konnte, was seine Offiziere schon vor ihm bekamen. „Ich konnte doch nicht wissen, dass der die Flasche gleich im Auto austrinkt!“, erinnert sich Fritz Wendig. Die übel gelaunten Offiziere platzierten ihren volltrunkenen Fahrer auf den Rücksitz und mussten nun selbst in die Kaserne fahren, wieder früher als geplant. „Vermutlich hatte der, der am wenigsten getrunken hatte, das Steuer übernommen. Jedenfalls haben wir so zweimal die Rote Armee zum Abzug gezwungen!“, freut er sich noch heute.
Nach der Wende überlegten Fritz und Carmen Wendig, wie es weitergehen soll. Alles stehen und liegen lassen und im Westen neu anfangen oder viel Geld in die Hand nehmen und die Gaststätte modernisieren, um den Schritt in die volle Selbstständigkeit zu wagen? Sie nahmen viel Geld in die Hand und rekonstruierten von Grund auf, um den modernen Ansprüchen des Gastes gerecht zu werden. Die Speisekarte haben sie nicht modernisiert und dem Zeitgeschmack angepasst. Gutbürgerlich, gut deutsch und fern vom Kalorienzählen geht es noch immer zu. Dazu gehört die mehrmalige Hausschlachtung im Winter, die über Burg hinaus ihre Liebhaber gefunden hat. Die Gaststätte brummt, der Saal ist über Monate ausgebucht. „Nun quälen uns Personalsorgen, obwohl wir einen guten Stamm haben. Es wird aber immer schwerer, in Stoßzeiten jemanden zu finden oder für eine Vertretung im Krankheitsfall“, resümiert Fritz Wendig, der sich nun seinerseits auch Gedanken um die eigene Zukunft macht. Er sucht einen Nachfolger, der die Traditionslinie „Deutsches Haus“ fortsetzt. In der eigenen Familie ist er nicht fündig geworden, die Kinder verfolgen andere Pläne oder haben sich bereits im Leben eingerichtet. Was er nicht will, ist, die Gaststätte an Fremden abzugeben, der vielleicht fern der Basis nur Gewinnabsichten verfolgt. „Ich habe in den Jahrzehnten großes Vertrauen der Burger erlangt. Ich habe auch Verantwortung für mein Personal – das alles setze ich nicht leichtfertig aufs Spiel“, bringt er seine Überlegungen bei der Suche nach einem Nachfolger auf den Punkt.

 

Peter Becker/peb1, 23.01.14

 

 

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