Heinz Gubatz, Naundorf

Ur-Spreewälder, Kraftwerkserbauer

Fotoalbum Heinz Gubatz

Heinz Gubatz, Naundorf

"Wenn die 7 ins Blickfeld gerät, sollte man kürzertreten", formuliert Heinz Gubatz angesichts seines nahenden 70. Geburtstages. Aber er sagt es wie jemand, der es nicht sonderlich ernst damit meint. Der Naundorfer hat zum neuen Jahr eine Reduzierung seines Tierbestandes ins Auge gefasst: "Nur noch eine Kuh, ein oder zwei Schweine, ein paar Schafe, Hühner und Enten ..., naja es bleibt wohl immer noch genug zu tun, viel wird sich wohl doch nicht ändern!" Dieser selbst auferlegte Plan erinnert ihn an seinen Großvater Wilhelm, der damals ebenfalls auf "Auszug ging" wie es amtlich hieß. "Dem wurde eine Kuh, ein Schwein und ein Morgen Land sogar notariell beglaubigt - was heute niemand mehr macht", erinnert sich der 1942 Geborene an seine Kindertage auf dem Naundorfer Bauernhof, den er nie verließ und seit Jahrzehnten mit seiner Frau Ingrid bewirtschaftet. Mit seinen fünf Geschwistern half er in der elterlichen Landwirtschaft mit. Mit elf Jahren musste er die Kühe melken und mit den Pferden auf die Wiesen und Felder fahren. Von einer weit entfernten Wiese bei Dubkow wurde das Heu mit dem Kahn geholt: Der ältere Bruder stakte hinten, hatte aber wegen des großes Heuberges kaum Sicht nach vorn. Heinz stand vorn und stieß mit einem Rudel den Kahn vom Ufer ab.

Die Schule besuchte Heinz im benachbarten Fleißdorf. Wie in allen Dörfern früher üblich, fand der Unterricht für mehrere Jahrgänge in einem Raum statt. Als das Wahlfach Sorbisch eingeführt wurde, stimmten die wenigsten Eltern zu, weil es angeblich nicht ihre Sprache wäre. Mit Sorbisch wollte niemand etwas am Hut haben, denn schließlich seien sie ja Wenden. Hier hat die Aufklärungspolitik offensichtlich versagt, denn den das "Schulsorbisch" war ein Niederwendisch - genau die Sprache der angestammten Spreewälder. Heinz kannte die Sprache halbwegs vom Hören, denn Eltern und Großeltern unterhielten sich oft darin: "Besonders wenn wir Kinder mal etwas nicht verstehen sollten!"

"Unser Lehrer war ein ganz 'Überzeugter'! Er hatte uns für den nächsten Schultag Pionierausweise und Halstücher auf den Platz gelegt, kam aber selbst nicht zum Unterricht - er war über Nacht in den Westen abgehauen", erinnert sich Heinz Gubatz an diesen und viele weitere Fälle, die damals die Runde machten. Auch einige seiner Mitschüler blieben auf diese Art und Weise einfach weg. Genährt wurde diese "Republikflucht", wie es damals offiziell hieß, durch den aufgebauten Druck der Zwangskollektivierung. Einen Zusammenschluss der seit Generationen betriebenen Bauernwirtschaften konnten sich viele nicht vorstellen: Aus Meins soll Unseres werden - undenkbar! Heinz Gubatz erlebte diese Zeit hautnah mit, denn er war nach der Schule vollwertiges und mithelfendes Familienmitglied auf dem elterlichen Hof geworden. Allerdings nur für ein paar Jahre, denn auch die Gubatzes kamen nicht umhin, 1960 der LPG "Energie" Naundorf/Fleißdorf beizutreten. Für Heinz fügte es sich gar nicht so schlimm, denn im nahen Vetschau wurde ein Kraftwerk gebaut. "Hier konnte ich ordentlich zupacken, gutes Geld verdienen und sogar meinen Betonfacharbeiter machen", erinnert er sich. Er war dabei, als die riesigen Fundamente für die Turbinen gegossen wurden. Jedes 1 000 Kubikmeter groß, und in einem Stück gefertigt. "Das durfte ja nicht unterbrochen werden, sonst hätte der Beton nicht gehalten. Wir haben damals rund um die Uhr gearbeitet", so Heinz Gubatz, der sich mit Fug und Recht zu den Erbauern des Kraftwerkes zählen darf.  Später wurde er Zugmaschinenfahrer, dann Berufskraftfahrer in Luckau. "Die haben mich 1979 einfach entlassen, weil ich mich um meine kranke Frau und um zwei Kinder kümmern musste", blickt er immer noch entrüstet auf das unmenschliche Verhalten der Betriebsleitung zurück. "Daheim hatten wir noch eine kleine Landwirtschaft, ein Kind war schwer krank und lag sieben Jahre im Koma, bevor es verstarb. Später verloren wir noch einen Sohn bei einem Verkehrsunfall - wir haben schon viel durchgemacht", erzählen beide im Gespräch. Wie um sich von all dem Unglück abzulenken, gehen beide seit Jahrzehnten fast an jedem Wochenende zum - Tanzen! Mangels geeigneter Veranstaltungen besuchen sie auch schon mal Diskotheken. "Manche DJs kennen uns schon und legen dann mal einen Rheinländer auf. Wir haben dann die Tanzfläche für uns allein, kriegen dann oft ehrlichen Beifall von den jungen Leuten, die ja meist nur rumzappeln können", zeigen sich beide etwas belustigt. Feste feiern und organisieren - dass bestimmt bei den Gubatzes die knapp bemessene Freizeit. Heinz Gubatz kümmerte sich besonders um die Naundorfer Pferdeschauen, die viele Jahre lang die Dorffeste bestimmten. "Die Bauern haben ihre Pferde gewaschen, gestriegelt und geschmückt. Wie erfolgreich sie darin waren, erkannten sie dann am Beifall der vielen Zuschauer", erzählt Heinz Gubatz und blickt dabei auf die Küchenuhr, wie um das Gespräch zu beenden. In der Scheune steht der auseinandergenommene Trecker mit generalüberholtem Motor. "Der muss nun wieder fahrbereit gemacht werden, damit er rechtzeitig zur Frühjahrsbestellung in Ordnung ist!" Eigentlich wollte er ja kürzertreten - vielleicht hilft ihm der Trecker sogar dabei. Auch wenige Morgen Land machen Arbeit, die mit Technik leichter zu bewirtschaften sind.

 

 

Peter Becker, 04.02.2012

 

 

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