Herbert Konzack – der, der alles kann und ist
In Leipe führt nichts an ihm vorbei: Will der Besucher etwas über die Spreewaldfischerei erfahren, heißt die Antwort: „Fragen Sie Herbert Konzack!“ Das wiederholt sich bei Fragen zur Jagd im Spreewald, zu einem Gemeindevertreter oder zur Freiwilligen Feuerwehr – die Antwort ist immer die gleiche. Wer wie er im vorletzten Haus vor der undurchdringlichen Wildnis, die zwischen Leipe und Lehde liegt, aufgewachsen ist, war später oft auf sich allein gestellt. Alleskönner haben es da einfacher.
Herbert Konzack erblickte 1949 im Schloss Lübbenau das Licht der Welt. „Meine Geschwister, die 1953 als Zwillinge auf die Welt kamen, haben es nicht mehr bis ins Schloss geschafft“, erzählt er. „Marlies kam bei Lehde auf die Welt und Dietrich kurz vor Lübbenau!“ Die einzige Verbindung zur Aussenwelt war für die Leiper bis 1969, dem Straßenbaus, der Kahn. Herberts Mutter Ursula, eine Krankenschwester, hatte sich wohl ein wenig mit dem Termin vertan, als sie ihren Schwager Heinrich Konzack bat, sie so schnell wie möglich nach Lübbenau zu bringen. Der arme Mann wusste unterwegs dann nicht was wichtiger war: So schnell wie möglich zu staken oder der Entbindenden zu helfen!
Herbert Konzack besuchte die Leiper Dorfschule und nimmt für sich das Recht in Anspruch der letzte Schüler gewesen zu sein. Damit meint er nicht seine Leistungen („die waren allerdings manchmal auch das Letzte!“), sondern die Tatsache, dass er der einzige Schüler seiner 8. Klasse war. Damit verkörperte er auch den letzten Jahrgang, der 1964 die Leiper Dorfschule besuchte. Nach ihm fuhren die Leiper Kinder nach Lübbenau zur Schule, anfangs noch mit dem Schulkahn, und erst nach dem Straßenbau mit dem Bus. Eigentlich wollte er Spreewald-Förster werden, aber das klappte nicht. „Mein Kinderspielplatz war der alles umgebende Wald und die Fließe – damit wollte ich auch später mal zu tun haben“, begründet er seine Berufswahl. Wenigstens mit Holz hatte er dann aber doch noch als Zimmermann bei der Lübbenauer Firma Perka zu tun. Das war auch noch so, als er Gerüstbauer im Kraftwerk war und teilweise auch beim Boblitzer Tief- und Wasserbau, seiner immer noch aktuellen Arbeitsstätte. Hier war er nun wieder ganz nah an den Fließen und den Staubauten. Daheim in Leipe gab es viel Arbeit: Das Haus der Eltern war dringend zu sanieren und sollte Platz für seine eigene Familie schaffen. Mutter Ursula verstarb mit frühen 37 Jahren und Herbert musste als Ältester seinen Vater unterstützen. Daneben blieb aber auch Zeit für seine Neigungen. Schon als Fünfzehnjähriger trat er der Leiper Feuerwehr bei und war hier besonders bei Wettkämpfen erfolgreich: 17 mal siegte er mit seiner Mannschaft bei den Meisterschaften im damaligen Bezirk Cottbus! In Boblitz lernte er bei einem solchen Wettkampf seine Karin kennen und lieben. Beide leben heute zusammen im Haus seiner Eltern in Leipe. Eine Feuerwehr im Spreewald stellt sich für den Außenstehenden als nicht zu problematisch dar, denn Wasser ist schließlich überall da. Aber genau das ist auch das Problem, denn es ist auch ein Hindernis auf dem Weg zum Brandherd oder zur Unglücksstelle. Herbert Konzack ist es mit zu verdanken, dass die Leiper Wehr nun einen Feuerlöschkahn gestellt bekommt. „Damit sind wir dann schnell vor Ort, wenn es mal beispielsweise zu einem Kahnunglück kommen sollte. Ein Hubschrauber kann hier im Hochwald nichts leisten“, schätzt Herbert Konzack ein wichtiges Aufgabengebiet seiner Spreewald-Feuerwehr ein. Seit 1987 ist er Wehrführer und somit für die Sicherheit im Ort und im umgebenden Spreewald mitverantwortlich.
Es ist kaum zu verstehen, wo der Mann immer seine Zeit her nimmt. Zur gleichen Zeit, als er 1964 Feuerwehrmitglied wurde, wurde er auch Mitglied in der damaligen „Sorbischen Fischereigenossenschaft Lübbenau und Umgebung“. Im Grundbuch seines Leiper Hauses ist ein Fischereirecht eingetragen, dass 1963 erneuert wurde. Der Jungfischer erhielt 1970 seinen Fischereischein und wurde gleichzeitig in den Vorstand der Fischergemeinschaft gewählt, in dem er immer noch aktiv mitarbeitet. Das Fischen ist ihm nach wie vor eine Leidenschaft, hier kann er sich nach einem anstrengenden Arbeitstag erholen. Herbert Konzack steigt dann im hofeigenen Gässchen in seinen Kahn, wirft den Motor an und tuckert in die entlegensten Fließe. Dort stehen seine Reusen in denen immer etwas ist. Daheim wird dann der Fischkasten wieder mit Frischfisch befüllt. Während andere Frauen in den Kühlschrank gehen, geht seine Karin zum Fischkasten und keschert sich den Fisch ihrer Wahl. Im Winter sind es meist Quappen, die sie zu Sülze verarbeitet – eine unnachahmliche Delikatesse, die die Spreewälder besonders schätzen. Schon beim Tief- und Wasserbau hatte Herbert Konzack mit Fischen und Fischfang zu tun. „Wir haben in den Vorflutgräben Graskarpfen ausgesetzt, die sehr erfolgreich die Gewässer vom Krautwuchs frei gehalten haben. Im Herbst haben wir dann auch mal abgefischt und die größten Tiere verwertet“, erzählt er aus den Jahren vor der Wende. „Danach durften wir die Fische nicht mehr einsetzen, weil sie artfremd sind und nicht in den Spreewald gehören. Dafür arbeiten wir heute mit Dieselgestank und Lärm – ich weiß nicht, was besser ist!“
An einen ganz besonderen Fang in der Spree kann er sich gut erinnern: „Ich hatte einen sechszehn Pfünder Zander im Netz. Solch ein großer Fisch ist selten und in der Größe bestens für eine Gaststätte geeignet. Im Dubkow-Wirt August Konzack fand ich einen begeisterten Abnehmer, der ihn mir für 15 DDR-Mark abkaufte. Natürlich haben wir auch mehrmals auf den gelungenen Fang und das damit verbundene Geschäft angestoßen“, erinnert sich der Fischer an die Spreewald-Legende August Konzack.
Wenn mal nichts zu fischen ist, nimmt Herbert Konzack eine seiner Flinten aus dem Panzerschrank und zieht in den nahen Wald. Die DDR-Behörden verwehrten ihm damals den Waffenschein („mir fehlte das Abzeichen am Revers“). Nur als Hundeführer durfte er an den Jagden teilnehmen. Erst nach der Wende wurde er zur Jagdprüfung zugelassen und ist seit Jahren Mitorganisator der jährlichen Drück- und Treibjagden zwischen Leipe und Burg. Jäger und Jagdhelfer legen dann eine beachtliche Strecke aus Rot- und Schwarzwild, von denen es im Spreewald reichlich gibt. „Ich habe schon beachtliche Hirsche gesehen, aber nie getroffen“, zeigt er sich ein wenig enttäuscht von seinem bisherigen Jagderfolgen. Bei den Sauen sieht das schon ganz anders aus, denn an die 100 dürften es dann schon gewesen sein, die auf sein Konto gehen. Damit leisten die Jäger eine wichtigen Beitrag zur Wildregulierung. Sie vermeiden dadurch größere Schäden in der Landwirtschaft, in den Forsten und tragen zur Verkehrssicherheit auf den Straßen im Spreewald bei.
Herbert Konzack konnte zwar nie Förster werden, ist aber dennoch sehr zufrieden mit sich. „Eigentlich hätte mein Leben gar nicht besser verlaufen können: Ich habe meine Natur, ich kann mich in das Leben meines Heimatdorfes aktiv einbringen und setzte mich sogar noch beruflich für den Spreewald ein!“
Peter Becker, 19.01.2012 |