Falk
Falk Hitzer

Falk Hitzer, Burg

  • Zimmermann
  • Spreewaldhaus-Bauer


„Ora et labora“ (bete und arbeite) steht über der Tür seines 1856 erbauten und 2004 restaurierten Burger Spreewaldhauses. „Den zweiten Teil des Türspruches erfülle ich mehr als redlich, und angesichts der zahlreichen Wagnisse war und ist mir immer noch manchmal zum Beten zumute. Ich weiß aber auch, dass ich mir für meine Unternehmungen den Erfolg schon selbst erarbeiten muss, den Beistand von ‚oben‘ kann ich nicht erwarten.“ Falk Hitzer steht etwas nachdenklich vor seinen Blockbohlenhaus und blickt auf die Zeit zurück wo alles seinen Anfang nahm: „Eigentlich wollte ich unbedingt zur See fahren, etwas anderes konnte ich mir früher einfach nicht vorstellen“, so Hitzer. Dem 1964 in Cottbus als Sohn eines Bauingenieurs und einer Architektin Geborenen wurden aber alle erdenklichen Steine in den Weg gelegt. Zu genau achteten die DDR-Oberen über ihre Bürger und deren potenziellen Möglichkeiten, ins westliche Ausland zu reisen. Dann wenigstens Bootsbauer nahm er sich vor, aber daraus wurde auch nichts. Mit einer Zimmermannslehre hatte er dann mehr Glück und konnte in der Folge sogar noch eine Meisterausbildung anschließen. Beim Kolkwitzer Mühlenbaumeister Erhard Thiele eignete er sich Restauratoren-Rüstzeug für alte Maschinen und Werkzeuge an. Er wirkte bei der Sanierung denkmalgeschützter Häuser in Cottbus mit und war an der Bergung der Pritzener Kirche beteiligt. Sie musste dem Bergbau weichen wurde eine Zeit lang in der Vetschauer wendischen Kirche gelagert.
Auf einer der Spreewaldbaustellen erfuhr er von der Möglichkeit ein altes Grundstück mit einem ebenso alten Haus zu erwerben. Kaum im Besitz der Immobilie wollte er sich auch an die Rekonstruktion des Gebäudes und die Wiederherrichtung der Bewohnbarkeit machen, scheiterte aber am damaligen Materialmangel. „Und das war im Nachhinein gesehen eigentlich gut so, wer weiß, mit welchen Provisorien ich das charaktervolle Haus verunstaltet hätte“, schätzt er heute ein. Als Zimmermann und Baumeister drang er in den Jahren immer tiefer in die Baukunst und -philosophie der Wenden ein – und erfuhr stetig steigende Achtung vor deren Leistungen, die noch heute anhält. „Die Spreewaldhäuser sind aus Laubholz, meist Erlenholz, das allein ist in Europa schon einmalig, denn überall wurde und wird das witterungsbeständigere Nadelholz verwandt. Im Spreewald gab es das kaum, man nahm, was in unmittelbarer Nähe wuchs und nicht oder kaum zu transportiert werden brauchte.“
Inzwischen selbst Spreewaldhausbauer mit über 30 errichteten oder rekonstruierten Gebäuden und gewachsener Erfahrung weiß er, dem heute moderne Maschinen zur Verfügung stehen, die Leistungen der frühen Hausbauer überaus hoch einzuschätzen. Er ist auch sehr von deren Beobachtungsgabe beeindruckt: „Sie haben sich sehr genau den Platz für das Haus ausgesucht. An den Stellen wo Schlangen ihre Brut aufwachsen ließen, war es einigermaßen trocken und die Gefahr von Hochwasser überflutet zu werden gering.“ Falk Hitzer findet so seine Erklärung für die Verehrung der Schlange und des Schlangenkönigs, der sich als Giebelsymbolik an den alten Häusern wiederspiegelt. Er hat auch festgestellt, warum die alten Häuser, auf Findlingen über der Erde errichtet, von feinstem Sand umgeben waren. Er beobachtete, wie Ameisen in die zahlreichen Sandtrichter fielen und darin plötzlich verschwanden. „Der beste Schutz vor Ameisen, die dem Holz und dem Gebäude schaden können, den man sich denken kann“, drückt er seine Begeisterung aus. „Der Ameisenlöwe im Trichterboden zieht blitzschnell seine Beute in die Tiefe, keine Ameise hat so eine Chance das Haus zu erreichen. Den Wenden blieb ohnehin nichts anderes, als so vorzugehen. Ökologisch nennen wir das heute, wenn wir alte Erfahrungen neu beleben.“
Mit diesem umfangreichen Wissen und der tiefen Kenntnis der wendischen Baukunst ausgerüstet, wagte er damals den Schritt in die Selbständigkeit und baut oder rekonstruiert seit 1987 Spreewaldhäuser. Dabei ist sehr viel zu beachten: Es gibt Auflagen des Denkmalschutzes, der Bauämter, der Reservatsverwaltung und vieler anderer Behörden. Auch der Bauherr hat so seine Vorstellungen, besonders  natürlich die Kosten betreffend. „Wer mit uns baut, baut mit uns und baut ein Erbstück!“ lautet das Firmenmotto. Falk Hitzer meint damit, dass der Bauherr von Anfang an mitbaut, dieses Traditionshaus von Anfang an mit seiner Individualität prägt, damit es auch zu seinem Haus und dem seiner Nachfahren wird.
Deutschlands „Superheim“, von Hitzer gebaut, steht - im Spreewald! Ein privater TV-Sender, bekannt für seine Hausbauserien, hatte 2003 zu diesem Wettbewerb aufgerufen. Per Zuschauerentscheid fiel die Wahl auf das Burger Haus – was Bauherr und Baumeister immer noch mit Stolz erfüllt.
Ob einer seiner drei Söhne mal sein Werk fortsetzen wird, nicht so wahrscheinlich. „Beim Kleinsten besteht ja noch berechtigte Hoffnung, er wurde je eben erst eingeschult“, gibt Falk Hitzer lächelnd preis.
Falk Hitzer hadert schon lange nicht mehr mit seinem unerfüllten Seefahrtwunsch: „Ob ich da solche Lebensspuren hinterlassen hätte, ist mehr als zweifelhaft. Meine Häuser aber werden Jahrhunderte stehen, deutlichere Spuren kann wohl kaum jemand im Leben hinterlassen!“

 

Peter Becker, 09.06.10

Peter Becker, 09.06.10

Das Spreewaldhaus


Was ist eigentlich ein Spreewaldhaus? Auf dem ersten Blick sieht der Betrachter ein mit Reed gedecktes Blockbohlenhaus, dunkel angestrichen. Auf dem zweiten Blick erkennt er die rechteckige Grundform, vielleicht sieht er auch die Findlinge, auf denen das Haus ruht oder die mittig auf der Längsseite vorhandene verzierte Eingangstür. „Bei einem dritten Blick wird es schon differenzierter, denn bis ins Detail lässt sich ein Spreewaldhaus gar nicht genau erklären. Da müsste auch die Zeitepoche und die engere Umgebung einbezogen werden“, meint Falk Hitzer. Er ist der Fachmann für solche Häuser, von denen er schon über 30 wieder rekonstruiert oder gar neu errichtet hat. Der Burger Unternehmer hat die Bauweise der Wenden, der ersten Erbauer dieser Häuser, genauestens studiert und ist von deren Leistungen immer wieder neu beeindruckt. „Sie waren vorzügliche Baumeister, die es verstanden haben, die natürlichen Gegebenheiten umfassend einzubeziehen.“
Vor dem eigentlichen Bau kam eine langfristige Beobachtung eines Bauplatzes. Im Überschwemmungsgebiet des Spreewaldes gab und gibt es auch immer wieder Sander, leichte Erhöhungen, die aber wegen des vorherrschenden Wildwuchses nicht immer zu erkennen waren. Hier drang das Wasser nur selten vor. Zogen an solchen Stellen Schlangen und Echsen ihre Brut auf, eignete sich dieser Ort durchaus auch als Bauplatz für den Menschen. Nach der Einebnung und oft auch erst nach Schaffung einer Anlegestelle für den Kahn, wurden vom Spreewaldrandgebiet her Findlinge in mühevollster Arbeit geholt, um die Grundschwelle, die unterste Balkenlage, darauf zu errichten. Je größer die Steine, desto höher das Haus über Grund, desto geringer die Gefahr des Eindringens von Wasser. Ansonsten kam es auf die Materialverwendung vor Ort an, um die im Spreewald sehr schwierigen Transportverhältnisse zu umgehen. Die oft gleich am Bauplatz gefällten Erlen wurden Material sparend zugesägt. Je nach Stammdicke entstanden dann unterschiedlich große rechteckige Balken, die über Eck zusammengefügt wurden. Damit ist auch ein wesentliches Merkmal der Spreewaldhäuser genannt, denn sie bestehen aus Laubholz und nicht aus dem witterungsbeständigerem Nadelholz wie überall in Europa. Dieses Holz musste natürlich vor Verfall gründlich geschützt werden. Hier kam den Spreewäldern der Flachs zu Hilfe, der damals überall angebaut wurde. Das daraus gewonnene Leinöl wurde gekocht und vergällt. Der so gewonnene Firnis, dem noch Kienteer zugesetzt wurde, eignet sich bestens als Holzkonservierungsmittel und verleiht den Häusern die typisch dunkle Farbe. Die Balkenzwischenräume wurden, wie auch in der Seefahrt üblich, kalfatert. Schafwolle und Hanf wurden in die Lücken verpresst und mit Lehm vor Vögeln geschützt, die sich sonst gern dieses Nistmaterials bedient hätten. Feinde eines jeden Holzes sind Insekten, besonders die Ameisen. Diese hatten die Spreewälder auf nahezu geniale Weise vom Haus fernhalten können. Um das Haus herum legten sie einen breiten Streifen aus feinstem Sand an. Der Ameisenlöwe – übrigens NABU-Insekt des Jahres 2010- legt darin Trichter an, in die die Schadinsekten bei ihrem Anmarsch auf das Haus rutschen und sofort von ihm in den Boden gezogen werden.
„Ein Spreewaldhaus ist also mehr als nur ein Abbild eines Hauses nach dem ersten Blick. Es ist eine Philosophie, die bereits mit der Wahl des Bauplatzes beginnt und nie endet. Ein solches Haus lebt über Jahrhunderte und bedarf Hinwendung und Aufmerksamkeit. Der Lohn ist ein gesundes natürliches Wohnen.“ Falk Hitzer ist nicht nur Hausbauer, er ist ein Betrachter und Beobachter, der an den Bau eines solchen Hauses mit dem Blickwinkel eines wendischen Baumeisters an die Erfüllung der Aufgabe geht. Das versteht er unter traditionellem Bauen.

Peter Becker, 10.06.10

Fotoalbum Hitzer
Spreewaldhäuser
 
     
Alle Originale