Ein Chemiker, der seine Verbindungen pflegt
Der Spreewald und besonders sein Wasser zog den 1949 in Klein Radden Geborenen schon immer an. Zunächst war es der kleine Dorfteich, der Trinka. Er lag zu Hause direkt über die Straße. Für Kinder ein Paradies: Im Sommer im Modder pampen, im Winter Schlittschuh laufen oder Eisschollen fahren. Zum richtigen Baden ging er mit den anderen Kindern in die Wudritz, ein Fließ am Dorfende. Das richtige Schwimmen lernte Achim in „Mittkes Keiten“. Dort schwamm er die ersten zwei Meter seines Lebens von Sandbank zu Sandbank. Aber nicht nur das Wasser war und ist die prägende Verbindung zum Spreewald, es war auch die auf ihn etwas eigentümlich wirkende Sprache der Menschen in den Dörfern.
Vater Gerhard war Umsiedler. Er hat von früh an auf gute deutsche Sprache als Tor zu guter Bildung geachtet. Dennoch hatte der Junge durch das mundartliche Umfeld z. B. bis weit in die Dresdner Jahre hinein Schwierigkeiten, „mir“ und „mich“ zu unterscheiden. Er hat heute noch Mitleid mit den verständnisvollen Lehrern, die geduldig den Unterschied der beiden Wörter herauszuarbeiten versuchten.
Mutter Irmchen war durch ihre Tätigkeit als Gastwirtin ohnehin zu gepflegterer Umgangssprache gezwungen, von ihr hörte Achim eher selten mal etwas Mundartliches. Die „Übeltäterin“ war letztlich die Urgroßmutter, die ihn und seine Schwester in den ersten Kindheitsjahren den Tag über versorgt hatte. Ins Kaiserreich hinein geboren, hatte sie auch die entsprechenden Erziehungsmethoden: „Wenn du nicht folgst, kommst du in die Hölle und musst einen glühenden Becher halten“ oder „wer nich in Schule will, den kummt der Schulmeesta mit die Roahmkiepe oln“. Weitere Keimträger für die Mundart waren natürlich die Leute aus dem Dorf, die Verwandten und die Besucher der Gaststätte, in der Achim wegen der nachlassenden Sehkraft der Urgroßmutter immer häufiger verweilen musste. Nachmittags übernahm er auch oft die Bedienung der Gäste, ehe ihn seine Mutter wieder ablöste, die vom Feld heim kam. Dann blieb für den Dorfjungen manchmal noch ein Stündchen für das abendliche Völkerballspiel „uff Dorf-stroaße“. Aus dieser Zeit klingen ihm noch heute viel mundartlichen Redewendungen im Ohr – sehr hilfreiche Erinnerungen, wenn es mal um eine weniger geübte Wortwendung oder um die Aussprache eines Wortes geht.
Der Besuch der Sorbischen Oberschule in Cottbus, später das Chemiesstudium in Dresden, die Arbeit an der Dissertation „Aminoheterocyclen durch O-Alkylierung und Nitrilcyclisierung“, mit der er den Doktortitel erwarb, und seine Tätigkeit im Arzneimittelwerk Dresden bis 2008 führten ihn weit weg.
Doch die Sehnsucht zum Spreewald und zu den Menschen blieb. Die Eltern, Schwiegereltern, die Schwestern waren dort zuhause. Durch die zahllosen Wochenendbesuche riss die Verbindung zur Heimat nie ab. Das in der Kinderzeit aufgenommene Mundartgut war ebenfalls noch immer präsent und verlangte zumindest im Unterbewusstsein zu einer wie auch immer gearteten Wiedergeburt. Daneben bestand bei Achim auch noch ein gewisser Hang zum „was Austichten“, etwas zu reimen. Bei der Hochzeit seiner Schwester hatte er mit seiner Mutter dann den ersten Sketch in Mundart aufgeführt. Der Slogan war: „Die Frauen aus dem Gartenbau (Ragow), die wissen alles ganz genau“. Dann kamen in den 80er Jahren noch ein paar Familienfeiern mit Mundartbeiträgen dazu. Aber die Möglichkeit, die „Schnauze vor Fremden aufzureißen“ kam erst nach der Wende. Im Klein Raddener Gasthof „Zur Alten Sensenschmiede“, den seine jüngste Schwester Sigrid Anfang der 90er übernommen hatte, fand das Mundarttalent eine geeignete Bühne. Bei Familienfeiern tauchte dann der „Alde Kawuschke“ erstmalig auf. Historisch gab es diese Person nicht, aber für einen Synthesechemiker mit Humor kein Problem, eine Figur aus wirklichen und fiktiven Personen aus der Kinderzeit zusammen zu setzen.
Weitere Meilensteine waren das Kneedelfest ab 1996 auf der Dorfstraße von Klein Radden, das er mundartlich moderiert und nach 2000 auch Auftritte bis „inga Coale, Lucke, Libben“.
Besonders reizvoll, wenn auch aufwändiger, sind die Auftritte mit anderen Mundartfreunden, wie „Janzens beede“ aus Groß Lübbenau. Unter dem Namen „Puschoasen“ treten sie hauptsächlich beim Ostermontag-Mundartnachmittag in Klein Radden auf.
In besonderer Erinnerung blieb ein Auftritt hinter Cottbus: Ein Schulfreund, Besitzer eines Autohauses, hatte seinen 50. Geburtstag. Inmitten der feuchtfröhlichen Feier taucht ein unerwarteter „Autokäufer“ auf. Alle Gäste haben sofort den „Alden Kawuschke“ erkannt, nur der Gastgeber hatte ihn eine Zeit lang für einen wirklichen Kunden gehalten…. Oder sein plötzliches Erscheinen beim 15. Mundart-Kaffeeklatsch in Lübben: „Is ja ma scheen, dass de och ekummen bist“, begrüßt Erika Haschenz, die Veranstalterin den „Alden Kawuschke“ aus Klein Radden. Er übereicht ihr 15 „Eiro“: Hühnereier, frisch und ungesäubert aus dem nachbarlichen Stall, die beiden Packungen notdürftig mit Sackschnur verbunden. „Is doch nu moa die neie Wehrung oder?“ ruft er den Gästen zu. Überhaupt sind Missverständnisse aus Mundart und modernem Sprachgebrauch sein Thema: Ein wenig kränkelnd geht Kawuschke in ein Lübbener Café, in dem alle Türen offen sind und es furchtbar zieht. „Tiere muss zu!“ ruft er in Richtung Theke – und bekommt prompt ein Tiramisu. Schließlich hätte er es ja bei seinem Eintritt in die Gaststätte gerufen, erklärt die Bedienung. Auch an Weisheiten spart der Alde Kawuschke nicht: „Ieba den alden Lausitza sein Grundstick kreest der Oabicht, ieba den neuen Lausitza seins die Geia“ (Über den alten Lausitzer sein Grundstück kreist der Habicht, über den neuen Lausitzer der Geier). Oder zum Unterschied zwischen den Lausitzerinnen von früher und heute: „Die alde Lausitzerin kann die Gans noch braun broaten, die neie Lausitzerin is lieba selba ganz braun.“
Als geschichtlich interessierter Mensch fühlt sich Hans-Joachim Jänsch besonders dem Sorbischen/Wendischen verbunden und verpflichtet. „Die wendische/sorbische Sprache leidet genauso wie die Mundart unter immer weniger kompetenten Sprechern. Im Gegensatz zum Wendischen/Sorbischen steht aber bei unserer deutschen Mundart keine entsprechende Pflege mehr dahinter“ beklagt er ein wenig die gegenwärtige Situation. Aber genau darin sieht er auch seine künftige Aufgabe. Mit fähigen und gleichgesinnten Partnern stellt er sich der Herausforderung und bringt sich in die Pflege dieses Kulturgutes ein.
P. Becker, Jan. 2011

Kneedelstickchen
Das Rezept is fa een Dreigeneration(h)aus(h)alt von frie(h)a oda fa zwee Leite von eite dreimoa zu Mittach, fa andan Tach und mit Einfriern und so, wie das neimodsch is. Zwee Fund Bauchfleesch, Eisbeen oda Rippchen wern in großen Topp mit Wassa und poar Leffelchen Salz, ne Sellrieknulle, ne Zwiebel, poar Ewirzkerna, poar Kerna schwarzen Feffa und Lorbeerblatt weechekocht. Das wern zwee Fund Kneedeln scheen dicke escheelt, damit das Viehzeich ooch noch was zu fressen kriet. Die Kneedeln wern in kleene Wirfel eschnitten. Die Briehe werd abegossen in andan Topp, das Fleesch in die Briehe zurick egeen und die Kneedelstickchens dazu. Kimmelkerna wern einestreit und knappe virdel Stunde ekocht bis die Kneedelstick-chens nich zu weech sin. Uff Tella egeen, kucken eich tausend Oogen an.
Brühkartoffeln (Kneedelstickchen)
Für 6 Personen (Dreigenerationen-Haushalt oder für 2 Personen: frisch, für nächsten Tag und Rest einfrieren)
1 kg Eisbein, Bauchfleisch oder Rippchen |
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3 Teelöffel Salz |
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1 Sellerieknolle |
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1 Zwiebel |
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Piment- und Pfefferkörner |
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1 Lorbeerblatt |
gar kochen, |
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Brühe abgießen, Fleisch hinzufügen. |
1 kg Kartoffeln |
schälen, in kleine Würfel schneiden, |
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zum Fleisch mit Brühe geben und |
Kümmel |
dazugeben |
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Das Ganze 10 bis 15 Minuten kochen, so dass die Würfel noch bissfest sind. |
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