Ingmar Steffen

Fotograf aus Burg ("Foto-Steffen")

Mit den Kumpels durch den Spreewald ziehen und in der benachbarten Spree zu baden, das war so ganz nach dem Geschmack des heranwachsenden Fotografensohnes Ingmar Steffen aus Burg. „Mach doch mal Fotos von uns, dein Vater hat doch so tolle Apparate“, forderten ihn mal seine Freunde auf. „Kein Problem, mit der Exakta Varex gelingt jedes Foto!“, sicherte er zu. Als ihn später seine Kumpels nach den Bildern fragten, musste er kleinlaut zugeben, dass sie nichts geworden sind. Den Spott hat er noch heute im Ohr; seine ersten Fotos waren durchweg misslungen. „Ich habe einfach drauf gehalten, was interessierten mich schon Blende und Belichtungszeit, alles unnötiger Kram!“ Vater Erhard machte sich ein wenig Sorgen um seinen Nachfolger in der Firma, der nun langsam aufgebaut und Schritt für Schritt in das Geschäft eingebunden werden sollte. Kahnfotos waren und sind das Hauptgeschäft der Spreewaldfotografen, hier kam es auf Schnelligkeit und auch auf Qualität an, wenn nach zwei Stunden Fahrt der Gast sein Foto in den Händen behalten sollte. Die Steffens hatten da ein ausgeklügeltes System entwickelt: Erhard Steffen fotografierte im Burger Hafen bei der Abfahrt der Kähne, entwickelte sofort den Film und machte einen ersten Abzug. Noch ganz feucht, wurde das Foto von Mutter Martha auf ihrer schnellen 250er MZ zu einem vereinbarten Anlegepunkt gebracht. Sohn und Sozius Ingmar suchte die Gäste und nahm die Bestellungen entgegen. Beide brausten zurück nach Burg und Erhard Steffen konnte bestellgenau Fotos abziehen und zum Verkauf bereithalten. Später übernahm Ingmar, nun schon Jugendlicher, mit seinem Moped diesen Dienst. Er war gerade 16 geworden, als sein Vater ihn auch das erste Kahnfoto machen ließ. Immer noch ein wenig Schrecken in den Gliedern wegen der vermasselten Fotos aus den Rumzieherjahren, aber auch die zahlreichen Tipps und Anleitungen des Vaters im Hinterkopf, wagte er sich an die große Aufgabe. „So ein Foto macht man nicht einfach so. Der vorbei gleitende Kahn ist nur für einen kurzen Moment optimal im Sucherfenster, da bleibt höchstens Zeit für zwei oder drei Auslösungen. Und die müssen stimmen, die sind nicht wiederholbar!“ Aber noch ein ganz anderes Problem tat sich vor dem Jungen auf: „Wie spreche ich verdienstvolle Werktätige an, die von ihrem Betrieb mit einer Kahnfahrt in den Spreewald ausgezeichnet wurden?“ Mit viel Überwindung und schlimmen Lampenfieber gelangen ihm diese Regieanweisungen letztlich und zukünftig immer besser. Als Anfang der Siebziger Jahre immer mehr Westtouristen in den Spreewald kamen, kauften sich die Steffens selbst einen Kahn und verdienten sich zusätzlich noch etwas zum Fotografengeschäft dazu. „Eine Westmark von jedem Gast je Stunde war schon ganz ordentlich“, erinnerte sich Ingmar Steffen, der selbst den Kahn stakte. Sein sich gut entwickelndes Geschäftsgebaren handelte ihn in der Prüfungszeit zum Abschluss der zehnten Klasse einen Rüffel seines Burger Schuldirektors ein. Er solle doch nicht immer nur Touristen aus dem kapitalistischen Ausland fahren, das wäre nicht gut, bekam er zu hören. Seine Antwort „Die sind nicht aus dem Ausland, die sind von uns drüben“, hat den Direktor dann noch mehr auf die Palme gebracht, konnte aber andererseits seinen Prüfungsleistungen keinen Abbruch tun. Nach einer Fotografenlehre im elterlichen Betrieb mit nachfolgender Qualifizierung im Cottbuser Atelier Just wuchs Ingmar in das Geschäft des Vaters allmählich hinein. Die Zeit in Cottbus ist ihm dabei besonders erinnerlich geblieben, da er häufig im Krankenhaus Operationen fotografisch dokumentieren musste. Auch beim nachfolgenden Grundwehrdienst arbeitete er als Fotograf. „Ich war über die üppige Ausstattung des Armeefotolabors mehr als erstaunt. Was wir in der Burger Firma nur mühsam an Material beschaffen konnten, war dort im Überfluss vorhanden und wurde von teils inkompetenten Leuten verwaltet“, erinnert sich Ingmar Steffen. Als einfacher Soldat gefiel es ihm andererseits, bei offiziellen Anlässen Fotos zu machen und die Offiziere zu kommandieren: „Genosse Oberst, nicht lachen, die Hände an die Hosennaht!“

Wieder daheim, folgte der Besuch der Meisterschule in Potsdam, wo er eine fundierte Ausbildung erhielt. „Die stellten uns vor fast unlösbare Aufgaben, über 60 Prozent schafften es nicht, den Titel Fotografenmeister zu erlangen. Ich gehörte glücklicherweise nicht dazu.“ Aus Potsdam brachte er auch seine Gabriele mit. „Die war die Hübscheste, die damals im dortigen Staatsarchiv arbeitete“, begründet er seine Partnerwahl. Die Söhne Christian und Daniel kamen 1984 und 1985 auf die Welt, Christian ist inzwischen ebenfalls in der Fotobranche tätig.

In den Achtzigern war Ingmar Steffen der erste Spreewaldfotograf, der Farbfotos anfertigte. Das brachte großen Aufwind für das Geschäft, besonders bei den Hochzeitsfotos. „Wer so viele Brautpaare wie ich fotografiert hat, hat bei solch emotionsgeladenen Szenen auch schon viel erlebt: Geplatzte Hosennähte des Bräutigams, die Mutter Martha schnell mit Nadeln sichern musste, der übereilige Bräutigam, der mit Hauspantoffeln aus dem Auto stieg und dem glücklicherweise die Schuhe des Fotografen passten, waren ebenso darunter, wie der von der Kerzenflamme versengte Schleier der Braut.“

Mutter Martha, eine dem Wendischen sehr zugetane Frau, kleidete auf Wunsch FDGB-Urlauberinnen in die Spreewaldtracht, und Sohn Ingmar fertigte von ihnen die schönsten Farbfotos an - eine unter den damaligen Spreewaldurlauberinnen beliebte Fotoszenerie, die auch noch heute gepflegt wird.

Mit der Wende zog auch das digitale Zeitalter in das Burger Fotostudio. Während alle die deutsche Einheit feierten, fuhr Ingmar Steffen am 3. Oktober 1990 nach Köln zur Fotokina. Er erhoffte sich hier viel Rat und Kompetenz, wurde aber wegen der Flachheiten der Standbetreuer ziemlich enttäuscht. „Die hatten nur selten wirklich Ahnung, von Fotografie verstanden die nicht wirklich was, nur vom Verkaufen.“ Glücklicherweise fand er rein zufällig für diese Tage eine ausgezeichnete Unterkunft bei der ehemaligen Burger Familie Fiedermann. „Eine Hotelunterkunft hätte ich mir bei den Preisen gar nicht leisten können! Und solche daumendicken Steaks wie bei den Fiedermanns habe ich mein Lebtag nicht mehr gegessen!“, schwärmt er noch heute.

Das Fotografengeschäft ist technisch gesehen einfacher geworden. „Daher meinen viele, es selbst zu können. Viele dürfen sich Fotograf nennen, ohne je eine entsprechende Ausbildung nachweisen zu können. Das erschwert uns das Geschäft. Es wir immer schwerer, Kahnfotos oder die Fastnachtsfotos in den Dörfern abzusetzen, weil jeder selbst fotografiert. Da bleiben uns manchmal nur noch die Studioaufnahmen, die Hochzeits- und Porträtfotografie“, beschreibt Ingmar Steffen, der im Geschäft von seiner Ehefrau unterstützt wird, die gegenwärtige Situation.

 

Peter Becker, 06.03.2012

 

 

 

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