Kurt Vorwachs

Modellbauer, AWO-Station Lübbenau

Jeden Montag, seit Jahrzehnten, schwingt sich der 78-jährige Kurt Vorwachs auf sein Fahrrad und radelt zur „Station“ in Lübbenau. „Ich kann doch meine Jungs nicht im Stich lassen! Und ich bin froh, mein Wissen und mein Können noch einbringen zu können, auch wenn ich dafür keinen Cent bekomme“, erklärt der rüstige Rentner. Die „Station“ ist in der Dammstraße, sie ist noch fast genau so erhalten, wie sie vor über 50 Jahren als „Station der Jungen Naturwissenschaftler und Techniker“ erbaut wurde. Die Wände und Decken in dunklem Spreelacart. Der alte Kachelofen verschlingt Unmengen an Briketts und Holzabfälle, um die großen Räume einigermaßen zu erwärmen. Hier baut Kurt Vorwachs mit „seinen Jungs“ Holzmodelle von Spreewaldhäusern, Brücken und was sonst noch von seinen Bastlern erdacht und erwünscht wird.

Modellbau, Holzbearbeitung und knifflige Nachbauten von Flugzeugen im korrekten Maßstab machten einen großen Teil des Lebens von Kurt Vorwachs aus. Geboren jenseits der Neiße, die Eltern betrieben eine Schneiderei, faszinierte ihn schon früh alles, was aus Holz war. Seine ersten Arbeiten waren noch etwas gröber, aber sehr zweckmäßig. Seine Kaninchenställe dienten letztlich auch der Versorgung der fünfköpfigen Familie. Die Pflege und Fütterung der Tiere hatte er gleich mit übernommen. Als die Front 1945 immer näher kam, flüchtete der 11-Jährige mit seinen Eltern nach Lübbenau. Nach einer kalten Nacht in der Kirche wurden sie beim Bauern Junker in Ragow einquartiert. Aber schon nach wenigen Wochen wurde der Ort ebenfalls von der Front überrollt. „Wir verbrachten eine Nacht voller Angst im Keller der Ragower Gaststätte, aber alles ging gut“, erinnert sich Kurt. Die erste richtige Wohnung fanden sie dann in Kittels Villa in Lübbenau. Kurt konnte die Schule beenden, „die ehemalige Mädchenschule, heute ist hier die Biosphäre drin“ und in der Vetschauer LOWA eine Tischlerlehre machen. Holz war ohnehin sein Ding, er sog alles auf, was ihm seine Lehrherren an Tipps und Tricks beibrachten. Aber auch die Musik begeisterte ihn zunehmend, er wurde Mitglied im Kreisfanfarenzug Lübben und durfte mit dem Orchester zu den ersten Weltfestspielen 1951 nach Berlin. „Am besten war, dass wir jeder ein paar Lederschuhe und eine Windjacke bekamen, wir hatten ja damals kaum was Ordentliches!“ In der LOWA leitete er eine Arbeitsgruppe Flugmodellbau, die aber erst genehmigt werden musste. „Da kam Militärisches ins Spiel und davon wollten die Behörden damals gar nichts wissen“, erinnert er sich. Später, bei der Kasernierten Volkspolizei, zu der er sich mehr oder weniger freiwillig meldete, setzte er diese Tätigkeit fort. Im Auftrag der Vorgesetzten fertigte er maßstabs- und detailgetreue Modelle der MIG 15, dem damaligen Düsenjäger der DDR-Luftwaffe. „Einmal musste ich in kürzester Zeit für eine chinesische Militärdelegation eine Vielzahl von Modellen schaffen, als Gastgeschenke.“ Er wäre gern selbst Pilot geworden, aber „wegen der Augen“ ging das nicht. Nach dem Wehrdienst folgten Tätigkeiten im Möbelwerk Calau und im Kraftwerk Lübbenau, immer als Tischler. Über die damals obligatorische Patenbrigadentätigkeit kam er mit der Schule in Kontakt. Hier übernahm er sofort die Arbeitsgruppe Modellbau. Als in der „Station“ eine Stelle ausgeschrieben wurde, bewarb er sich sofort. Er bekam diese auch, allerdings mit der Auflage, sich zum Fachlehrer für Werken zu qualifizieren. Neben der außerschulischen Kinderbetreuung im Modellbau kümmerte er sich besonders um den Schulkahn, der der Lübbenauer Station gehörte. Eigentlich war der mal als Ersatz für den inzwischen ausgedienten Kahn gedacht, der die Leiper Kinder zur Schule bringen sollte. Parallel zum Neubau der Lübbenauer Firma Lubkoll entstand auf Drängen der Leiper auch die Straßenanbindung des Ortes, sodass ab 1969 die Kinder mit dem Bus zur Schule fahren konnten. Der neue Kahn war nun ein Stationskahn und kam für Expeditionen zum Einsatz. „Wir haben den sogar manchmal zum ‚Kreuzfahrtschiff‘ umgebaut. Die Kinder konnten darin schlafen, was ihnen riesigen Spaß gemacht hat“, erinnert sich der Kahnverantwortliche, dem dabei ein Lächeln über das Gesicht huscht. „Das war eine sehr schöne und erlebnisreiche Zeit!“ Mit dem 6-PS-Außenbordmotor ging es quer durch den Spreewald um die Hirschbrunft zu beobachten oder um irgendwo zu zelten. Mit dem Schulkahn waren sie immer dabei. Alles was gebraucht wurde, auch von der Grillwurst bis zum Grill, war an Bord. Der Kahn steht jetzt in Boblitz, manchmal kommt er noch bei Kahnkorsos zum Einsatz. Kurt Vorwachs freut sich immer auf Montag, wenn er wieder in die Station gehen kann, die jetzt in der Verantwortung der Arbeiterwohlfahrt ist. Er blüht noch mal auf, wenn er sein Wissen und sein Geschick weitergeben kann. Viele Flugzeugmodelle hängen noch an der Werkstattdecke. Manchmal holt er eins runter und wischt gedankenverloren den Staub von den Tragflächen …

 

 

 

Peter Becker, 07.11.12

 

 

 

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