Es gibt Dinge im Leben, die der Mensch nicht vergessen kann, es auch nicht will. Für den 11-jährigen Klaus war es das Erleben der Dresdener Bombennacht im Februar 1945, wenn auch nicht direkt dabei. Im 20 Kilometer entfernten sächsischen Heimatort Friedersdorf bei Pulsnitz schaute er in den Himmel. „Der flackernde rote Feuerschein, der so ganz anders war, so unwirklich, hat mir Angst gemacht. Erst Tage später habe ich das Unheil vor Ort gesehen - und in mir reifte die Erkenntnis, dass sich so etwas nie wieder wiederholen darf“, berichtet der heute* 80-Jährige über dieses einschneidende Kindheitserlebnis. Kindheit im Krieg, das nicht verstehen von Zusammenhängen, die Grausamkeiten – so etwas formt fürs Leben und gibt die Richtung vor. Geprägt durchs Elternhaus sollte er einen soliden Handwerksberuf ergreifen. Vater war Steinbrucharbeiter, Mutter Heimnäherin. Sie fertigte Sockenhalter und Hosenträger, vornehmlich für die Wehrmacht. Nach dem Krieg waren es Schulterstücke – für die Sowjetarmee. Klaus half ihr, wann immer Zeit war und der Abliefertermin bedrohlich nah kam. Er fand Gefallen am Schneidern und konnte sich gut vorstellen, dies zum Beruf mal auszuüben. Herrenschneider wurde er dann auch, aber kurz vor Ende der Lehre flatterte ein Brief seiner ehemaligen Schule auf den Tisch der Eltern: Lehrer sollte der Junge werden, studieren und für den Aufbau des neuen Schulwesens zur Verfügung stehen. Das stieß nicht unbedingt auf Akzeptanz bei den Eltern, wohl aber bei Klaus. „In dem Beruf kann ich mich gut vorstellen: Erziehen und bilden, für Frieden und Freundschaft wirken und mich für eine bessere Gesellschaft einsetzen – das ist wohl meine Berufung!“, erinnert sich Klaus Haufe an die Tage einer Entscheidung fürs ganze Leben. Schon im Unterstufenlehrerstudium in Leipzig befindlich, legte er zwischendurch noch seinen Facharbeiter als Herrenschneider ab („Man kann ja nie wissen, die Ausbildung sollte nicht umsonst gewesen sein und meinen Eltern konnte ich so ein wenig Freude bereiten.“) Nach dem Studium dann die etwas ernüchternde Botschaft der Kaderpolitiker: In Brandenburg ist der Lehrerbedarf hoch, dort sollte er hin. Er durfte sich den Landkreis Cottbus auswählen, der lag etwas näher an seiner sächsischen Heimat. Nicht gerade in Hochstimmung kam der 19-jährige Junglehrer Klaus Haufe in Burg an und übernahm am 1. September 1953 den Unterricht an der 2. Kauperschule. Unterrichtet wurde in einem Raum: Klasse 1 bis 4, Unterkunft fand er bei Gärtner Möschk mit Vollpension und Familienanschluss. „Ich wollte wieder zurück in mein geliebtes Heimatdorf, in meine gewohnte Umgebung. Die Pflichtjahre gehen irgendwann mal vorbei“, tröstete er sich damals. Wieder war es das Leben, genauer der Zufall, der die weitere Richtung bestimmte. Die schlesische Umsiedlerin Sieglinde, wir er fremd in der neuen Heimat, hatte es ihm angetan. Sie wurde zum Grund des Bleibens. Drei Jahre später wurde geheiratet, eine kleine Wohnung in der Schule fand sich auch, wie damals üblich ohne Wasseranschluss, mit Ofenheizung, das Trockenklo überm Hof. Die Töchter Uta und Steffi kamen zur Welt und wuchsen im Spreewald auf. Klaus Haufe merkte mit den Jahren, dass er in der Region, in der andere Urlaub machen eine neue Heimat gefunden hatte, die so viel an Natur und Tradition zu bieten hat. Er richtete sich ein, wurde in den Kommunalparlamenten aktiv und setzte sich für die Verbesserung der Schulsituation im Flächendorf Burg ein. Seiner Beharrlichkeit ist es mitzuverdanken, dass neue Unterrichtsräume entstanden und das Schulen zusammengelegt wurden. In der damaligen Oberschule 2, bestehend aus den Schulen Burg-Kolonie, Kauper 1 und 2, übernahm Klaus Haufe 1962 die Funktion des Leiters. Es sollten noch ein paar Jahre vergehen, bis 1971 jede Jahrgangsstufe in einem eigenen Raum unterrichtet werden konnte. Zwei Jahre später wurden alle Burger Schulen aufgelöst und in der Oberschule Burg-Dorf zusammengefasst. Klaus Haufe wurde dort stellvertretender Direktor für außerunterrichtliche Tätigkeit, 1978 dann Direktor der Schule. Durch seine Mitwirkung im örtlichen Parlament konnte er maßgeblich Einfluss auf Erweiterungsbauten nehmen, und er machte sich für Lehrerwohnungen stark. In den neu erbauten Mehrgeschössern fanden viele Lehrer dann eine Wohnung, auch Klaus Haufes Familie bekam eine moderne Wohnung. Das Burger Schulwesen entwickelte sich, die Bedingungen verbesserten sich, in den alten Schulen kamen teilweise andere Kindereinrichtungen wie Hort und Kindergarten unter. Die politische Wende ließ Klaus Haufe 1990 die Vertrauensfrage stellen, sein Kollegium stand geschlossen hinter ihm, er blieb Schulleiter. Das neue Schulsystem brachte Vor-und Nachteile. Zu den Vorteilen zählte die Tatsache, dass Vorbereitungsklassen gebildet werden konnten, die den Schülern den Übergang zum Gymnasium erleichtern sollte – für Burg ein Segen, der bald zur gymnasialen Oberstufe führen sollte, die bis 2010 bestand hatte. Zu den für ihn persönlichen Nachteilen gehörte die Tatsache, dass stärker nach Lehrerqualifikation selektiert wurde. Der ausgebildete Unterstufenlehrer Haufe musste die Oberschulleitung abgeben, bekam aber dafür am gleichen Standort die Leitung der Grundschule übertragen. Nach einem Jahr nutzte er die Altersübergangsregelungen und schied aus dem Schuldienst aus. Er hätte nun die Hände in den Schoß legen können, aber das wäre überhaupt nicht sein Ding gewesen. Klaus Haufe hatte nun Zeit, sich in der Kommunalpolitik noch stärker einzubringen. Daneben tat sich ein neues Feld für ihn auf: Er wurde Reiseleiter für die Spreewaldregion, erarbeitete neue Radwegtourenprogramme und erschloss sich intensiv die Burger Geschichte. „Ich kann nicht loslassen, ich muss immer noch den Menschen dienen“, blickt er zurück. Etwas ganz Wichtiges musste er dennoch loslassen, als 2012 seine Sieglinde verstarb. „Ich muss nun allein klarkommen, das Vermächtnis meiner Frau erfüllen, dass ich mich nicht gehen lasse und das Leben auch weiterhin meistere!“ Zu tun hat er genug. Er hilft gerade bei der Vorbereitung der anstehenden 700-Jahrfeier, bereitet die Geschichte auf und steht noch immer mit der Schule in Verbindung. An einem GPS-Geschichtspfad wird er mitarbeiten, initiiert durch Schule und Tourismusamt. Vergessen kann Klaus Haufe die Schule ohnehin nicht. Schließlich bringt sie sich täglich ins Gedächtnis. Wenn er das Haus verlässt, fällt sein Blick unweigerlich auf die Schulgebäude, an deren Entstehung er seinen Anteil hat. Und er hat noch die Familien seiner Töchter, die Enkel und auch schon Urenkel. Er ist nicht allein, er bringt sich in die Familie ein und in die Gesellschaft. Der Opa und der Kenner Burgs wird immer noch gebraucht.
Peter Becker/peb1, 06.03.14
*Geburtstag 11.04.
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