„Mit einer Bohnenstange habe ich das Kahn fahren gelernt. Die Rudel war unseren Eltern zu wertvoll, außerdem ist eine Stange bestens geeignet, sich die Stak-Technik anzueignen. Würde ich Kahnfährmänner ausbilden, würde ich immer damit beginnen.“ Detlef Krüger erinnert sich gern an seine Boblitzer Kindheit, die er inmitten seiner fünf Geschwister auf den Fließen verbrachte. „Wir hatten fast immer eine Angel dabei und zogen wieder und wieder den Blinker durch das Wasser. Wir machten uns auch keine Gedanken, ob wir das durften oder nicht - wichtig war uns das elterliche Lob. Wenn wir abends etwas verschmutzt und selten pünktlich ankamen, zählte dann nur noch der große Hecht, den wir auf den Küchentisch warfen.“ Jede Mutter war in den Fünfzigern froh, wenn mal Abwechslung in das ansonsten ziemliche Einerlei der Speisen kam. Vater Otto war als Lokführer im Schichtdienst unterwegs und Mutter Charlotte mit dem Haushalt und den Kinder oft auf sich allein gestellt. Die Kinder halfen so gut es ging mit und nutzen den Spreewald und die Freiheit auf ihre Weise. Doch nach der Schulzeit war es erst mal vorbei, „dennoch verliert man den Spreewald nie aus seinem Herzen“, bekennt Detlef Krüger heute. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb er nach einer Malerlehre bei Meister Zimmermann in Lübbenau und nach vielen Jahren Malertätigkeit dann doch wieder eine Arbeit im Spreewald fand und liebgewann. Doch bis dahin sollte noch viel Zeit vergehen. Gleich nach der Ausbildung stand der Wehrdienst an, den er in einer geheimen Chemie-Aufklärer-Truppe ableistete. Als Soldat bekam er im Sommer 1968 auch den Ernst der Situation zu spüren, denn den Einmarsch des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei erlebte er in den sächsischen Wäldern nahe der Grenze, nicht wissend, wie der nächste Tag ausgehen wird. Nach dem Wehrdienst folgten erst mal wieder Jahre als Maler: „Tagsüber im Geschäft des Meisters, nach Feierabend im zweiten Arbeitsverhältnis. Damals gab es nur wenig Handwerker, unsere Dienste waren sehr gefragt und wurden gut entlohnt“, bekennt er freimütig. Noch besser aber wurde bei der Melioration gezahlt. Dort gab es sehr viel zu tun, besonders bei der Entkrautung der Fließe. Mit der Handsense musste damals die schwere Arbeit an den Ufern verrichtet werden, die Fließsohle selbst wurde zu zweit mit der Sensenkette vom Pflanzenwuchs befreit. „Eine schwere Arbeit, aber immer an der frischen Luft – so was hält gesund“, ist seine Überzeugung. Mit besonderer Spannung wurde dem jährlichen Entkrauten des Lübbenauer Kamzkefließes entgegen gesehen. „Was wir dort an Fahrrädern heraus geholt haben, geht auf keine Kuhhaut! Kaum zu glauben, wie viele so jährlich geklaut und später dort versenkt wurden!“
Mit der politischen Wende erleichterten sich auch die Arbeitsbedingungen. Moderne Maschinen wie das Mähboot ersetzten die körperliche Arbeit – und auch den Arbeiter. „Um überhaupt Arbeit zu haben, setzten wir in den Jahren des Autobahnbaus überall die Notrufsäulen“, erinnert er sich an diese Zeit und auch an den letzten Arbeitstag vor der Rente, der ihn schließlich wieder etwas näher an das Wasser heran brachte: Im Lübbenauer Pinguin-Bad half er bei Maurerarbeiten.
Wie er den Spreewald nicht vergessen kann, so kann auch nicht so recht den Pinsel aus der Hand legen. Er hat es eigentlich auch nie wirklich getan, zu oft gab es was zu Malern. Aber das Filigrane, das Künstlerische, entdeckte er erst später an sich. Beim 1. Schützenfest der Radduscher Feuerwehr übernahm er das Malen der Schützenscheibe. Als Ideengeber dienten ihm die alten Scheiben an den Häusern im Spreewald, die er schon immer bewunderte. Aus dieser ersten und auch nur als einziges Exemplar gedachten Scheibe wurden inzwischen über 80 Schützenscheiben. Viele Vereine bestellen inzwischen bei ihm und Detlef Krüger erfüllt ihnen gern den Wunsch: „Es ist schon schön zu erleben, wie jetzt meine Scheiben die Häuser im Spreewald und auch ringsherum zieren!“ Seine Werke sind leicht erkennbar, denn anders als oft üblich befindet sich sein Fadenkreuz nicht auf dem Tierbildnis, sondern daneben. „Gleich anfangs, als ich mal einen Eisvogel malen sollte, ist mir aufgefallen, dass man doch keine Zielscheibe darauf malen kann. Wer schießt denn auf Eisvögel?“
Wenn es mal nichts zu malen gibt, dann gibt es bestimmt was zu Hobeln oder Sägen – seiner zweiten Leidenschaft. Auf seinem Radduscher Hof, auf den es ihn vor vierzig Jahren der Liebe wegen zog, wird immer was gebaut und gewerkelt. Zuletzt war es ein gediegener im alten Stil errichteter Schrank, mit Blumenmotiven wunderschön bemalt. „Damit meine Gisela endlich mal ihre vielen Blumentöpfe unterbringen kann“, gibt er die Zweckentfremdung dieses Möbelstücks leicht schulterzuckend zu. Auf seinem Hof sind noch viele Bretter fein säuberlich gestapelt und mit den Jahreszahlen der Einlagerung versehen. „Die müssen alle noch irgendwann verbaut werden, an Ideen mangelt es meiner Frau, meinen Freunden und auch mir nicht. Und das Arbeiten bin ich gewöhnt, ich kann nicht untätig sein.“ Schon macht er sich auf, Bretter auszuwählen. Für den Lübbenauer Kahnkorso soll es diesmal das Modell eines Spreewaldhauses sein.
Peter Becker, 30.06.10
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