Henry Krzysch

Henry Krzysch, Ogrosen

  • Maler


Bedächtig wählt Henry Krzysch seine Worte, wägt ab und formuliert neu – ganz so, wie er auch an das Malen seiner Bilder herangeht. „Ich muss immer was pfriemeln, das macht die Gedanken frei, nur so fühle ich mich wohl!“ Mit viel Geduld, Akribie und Ausdauer gestaltet er wahre Meisterwerke, ganz eng angelehnt an den naturalistischen Malstil. Gelernt hat er diese Ausdauer und den Hang zur Gründlichkeit beim – Schiffsmodellbau. Der Lübbenauer besuchte die damalige „Station der Jungen Techniker“ und schuf dort detailgetreue Modelle. Aber dies war nur die eine Neigung des Jungen: Sein Kunstlehrer Schleißer entdeckte sein Zeichentalent und empfahl ihm die Teilnahme am „Zirkel junger Grafiker“, die von Francesco Berges geleitet wurde. „In diesen Jahren  habe ich eine Menge gelernt und meine Zeichenkunst auf ein akzeptables Niveau gebracht“, schätzt der heute 41-Jährige ein. Es folgte das Abitur in Calau - und die erste Enttäuschung: Er wurde für ein Studium an der Kunsthochschule Dresden abgelehnt. Sein Vater Klaus-Peter, Diakon, Theatersänger, aber auch Facharbeiter für Tagebaugroßtechnik und Lokführer, gab ihm aus eigener Erfahrung den Tipp, dass nur „ordentliche Arbeit“ den Mann ernährt. Die Lehre als Dekorateur  sah Henry als einen Kompromiss aus Handwerk und Kunst. Bei der HO Calau schloss er diese Lehre zwar vorzeitig, aber mit einer Enttäuschung ab. Seine Prüfungsarbeit zum 40. Jahrestag der DDR führte er in rosa aus – das kam nicht gut an und wurde mit „ungenügend“ bewertet. Dennoch bekam er wegen seiner guten theoretischen Leistungen den Facharbeiterbrief. „Ich habe dort unwahrscheinlich viel gelernt, ich habe alle Kleb- und Farbstoffe in der Hand gehabt, kunstvoll Buchstaben ausgeschnitten und mir eben alles Handwerkliche eines Dekorateurs angeeignet –Kenntnisse, von denen ich heute noch profitiere!“ Diese Kenntnisse sollten ihm auch bald bei seinem fast zehn Jahre dauernden Westaufenthalt helfen: In einer Chemiefabrik war er eine Zeit als Schriftenmaler eingestellt  - und hat deren Anlagen beschriftet. Doch davor lag aber erst mal noch etwas völlig anders Geartetes. Während des Wehrdienstes bei der NVA hatte er als Grenzsoldat etwa zu schützen, wovon er nicht genau wusste, was es eigentlich sei. Als junger Grenzer erlebte er den Mauerfall ganz weit weg von den spektakulären Ereignissen im Salzwedler Land. „Mit meinem MZ-Motorrad konnte ich plötzlich durch die überall entstehenden Zaunöffnungen auf die andere Seite fahren und mich sogar mit den BGS-Leuten unterhalten – eine irre Zeit.“ Im Ausgang ging es für den jungen Grenzsoldaten in eine benachbarte Stadt nach Niedersachsen. In einer Buchhandlung kaufte er sich für 19,80 DM ein Lehrbuch über die Malerei, sein erster Westkauf. Wenn er auch bislang dieses Hobby, denn mehr war es zu diesem Zeitpunkt ja noch nie gewesen, eine Zeitlang nicht ausübte, so beschäftigte es ihn dennoch immer wieder und reizte ihn aufs Neue. Damals sah er aus dem Erlebten heraus eine künstlerische Entfaltungsmöglichkeit eigentlich nur im Westen und siedelte konsequenterweise auch um. In diesen Jahren war er zwar meist als Maler und Grafiker tätig, doch eher seltener als Künstler. Er wurde dort auch nie so richtig warm: „Vielleicht lag es an meinem fremdländisch klingenden Namen oder an meiner Künstlernatur – ich weiß es nicht“, schätzt er heute ein. Bei einem Aufenthalt in seiner Heimatstadt Lübbenau wurde er von einer Bekannten angesprochen, die auf Gut Ogrosen untergekommen war und ihn auch dorthin vermitteln konnte. „Nach fast zehn Jahren bin ich wieder daheim, hier sind die Leute wie ich und sprechen meine Sprache“, dachte er und irrte zugleich. Auch in seiner Heimat war viel Zeit ins Land gegangen und hatte die Menschen verändert. Die damals so vermisste Freiheit konnte er nun auch hier hautnah erleben. Er konnte sich nun frei entfalten, er musste aber nun auch sehen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die Straßenmalerei war damals eine Möglichkeit und ist es manchmal heute immer noch. In 30 Minuten porträtiert er ganz talentiert seine Kundschaft und bekommt dafür 20 Euro. In der Grundschule Altdöbern konnte er sich ein Atelier einrichten und das MUS-E-Projekt an die Schule bringen. Beides war nicht mehr finanzierbar und musste abgebrochen werden.  Auf Gut Ogrosen hat er nun eine neue künstlerische Heimstatt gefunden. Als Angestellter des „Land Kultur Gut Ogrosen e.V.“ und mit großzügiger und gönnerhafter Unterstützung des Gutsbesitzers Heiner Lütke Schwienhorst hebt er gerade ein neues Projekt aus der Taufe. Die „Kunstwerkstatt Ogrosen“ bietet Kindern, Lehrern und allen Kunstinteressierten ein breites Betätigungsfeld, eine öffentliche Kunstgalerie auf dem Gut ist im Entstehen. Nach vielen Irrungen und Wirrungen ist er nun wohl angekommen. Hier hat er seine künstlerische Heimstatt und auch die Ruhe zum Arbeiten gefunden. Seine Tochter Margarethe hat ihm kürzlich ein erstes größeres eigenes Kunstwerk geschenkt. Die Siebzehnjährige lebt bei ihrer Mutter in Burghausen und zeigt einen Malstil, der so ganz anders als der des Vaters, aber mindestens ebenso ausdruckstark ist. Sie ist sein ganzer Stolz, scheint sie doch das „Malergen“ ererbt zu haben.


Peter Becker, 17.12.09

Fotoalbum Krzysch

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