Hobbys gibt es viele, so viele, wie es auch Interessen für eine Sache gibt. Das Hobby Kommunalpolitik dürfte dennoch eher zu den selteneren Spezies gehören. Lutz Habermann frönt dieses mit ganzer Leidenschaft. Dabei sah sein Berufsweg am Anfang gar nicht danach aus. In Neu Lübbenau 1950 als Sohn eines Maurers und einer Verkaufsstellenleiterin geboren, durchlief er den ganz normalen Bildungsweg an einer polytechnischen Oberschule. Es folgte eine dreijährige Berufsausbildung zum Betriebsschlosser im Reifenwerk Fürstenwalde – mit Abitur. Diese Form der damaligen Ausbildung verband Praxis mit hohem Allgemeinwissen. Lutz Habermann war so bestens für das Maschinenbaustudium gerüstet. In Zwickau erwarb er 1974 seinen Hochschulabschluss und ging zurück ins Reifenwerk. Hier arbeitete er im Forschungsbereich an der Entwicklung einer völlig neuen Reifengeneration mit, einem Ganzstahlreifen, der eine wesentlich längere Laufzeit hatte und sich mehrmals runderneuern ließ. In der DDR hatte der Reifen keine große Bedeutung mehr erlangen können. In Großbritannien kam er als Devisenbringer noch zum Einsatz, das angedachte Gemeinschaftsprojekt mit der schwedischen Firma Volvo zerschlug sich jedoch.
Lutz Habermann wechselte 1986 in eine Forschungseinrichtung der Stadt Storkow, in der Bohrlochmesssonden für die Erdöl- und Erdgasförderung der Sowjetunion entwickelt und hergestellt wurden. Ein Jahr später ist er in seiner Gemeinde Münchehofe zum Bürgermeister gewählt worden. Nach seiner Wiederwahl im Jahr 1990 übte er diese Funktion bis September 1992 hauptamtlich und danach ehrenamtlich aus. Ehrenamt ist ehrenrührig, aber eine Familie lässt sich damit nicht ernähren. Im Gegenteil: Es frisst Zeit, die der Familie fehlt. In der Friedersdorfer Amtsverwaltung (später Gemeinde Heidesee) fand er Arbeit und war dort zunächst als Bauamtsleiter und ab 1999 als Amtsdirektor tätig. Hier befasste er sich mit Grundstücksangelegenheiten ebenso, wie mit Förderbestimmungen – eine wichtige Erfahrung, für die Tätigkeit, die noch vor ihm lag, von der aber erst mal noch gar nichts ahnte. Es schien sogar, als wäre für Lutz Habermann das Berufsleben schon zu Ende, denn 2004 wurde er im Ergebnis der Gemeindegebietsreform in den Ruhestand versetzt. In der Zeitung las der zur Untätigkeit verurteilte, aber noch voller Energie steckende Kommunalpolitiker, von einer Stellenausschreibung des Spreewaldvereins. Dort war 2008 nach der Pensionierung von Dieter Irlbacher die Stelle eines Regionalgeschäftsführers neu zu besetzen. Unter den 17 Bewerbern konnte sich Lutz Habermann durchsetzen: Seine umfangreichen Erfahrungen in der Verwaltung und besonders bei der Beschaffung von Fördermitteln dürften den entscheidenden Ausschlag gegeben haben. „Ich war komplett überrascht von der Vielfältigkeit des neuen Aufgabengebietes“, schätzt er rückblickend die ersten Arbeitstage dort ein. „Es reicht vom Schutz der vereinseigenen Marken über die Beratung und Betreuung von Förderantragstellern bis hin zur Teilnahme an überregionalen Messen einschließlich der Vorbereitung und Durchführung des traditionellen Spreewälder Gurkentages.“ Als eine wesentliche Vereinsaufgabe sieht Lutz Habermann die Stärkung des Zusammenhaltes der Menschen und Unternehmen in der Spreewaldregion. In den zurückliegenden 6 Jahren sind eine Vielzahl von Projekten über den Verein initiiert worden, wurden die eingetragenen Marken geschützt und neue Produkte im Patent- und Markenamt München angemeldet. Das jüngste Marketingprojekt „Spreewälder Bio-Milch“ ist ein Paradebeispiel für die gemeinsame Vermarktung eines guten Produktes unter der Dachmarke Spreewald. „Die dafür eigens entwickelte Website vermittelt ergänzend ein erfrischendes Bild von der Kulturlandschaft und den Traditionen des Spreewaldes“ schwärmt Lutz Habermann.
Bei allen Erfolgen übersieht Lutz Habermann auch die Probleme nicht. Der Spreewald ist als Marke über Brandenburg hinaus weit bekannt und hat als Tourismusregion einen guten Namen. Das Wertschöpfungspotential der Region wird jedoch bei Weitem noch nicht ausgereizt. Der Verein bietet den regionalen Akteuren vielfältige Möglichkeiten, sich in diesen Prozess einzubringen – häufig jedoch mit einer sehr zögerlichen Haltung der Beteiligten. Ihn ärgert es des Öfteren, wenn Angebote des Vereins in der Region nicht die nötige Beachtung finden. „Manches Projekt könnte gestartet werden, manche Idee könnte schon längst Früchte tragen, wenn die Akteure vor Ort nicht so abwartend und zögerlich wären“, berichtet Lutz Habermann über seine speziellen Erfahrungen mit den Spreewäldern. Der Regionalbüro-Geschäftsführer setzt sich für mutiges Denken und ein neues regionales Selbstverständnis ein. „Der Spreewald braucht Visionen und Menschen, die bereit sind, diese umzusetzen. Wir müssen uns mehr vom lokalen Denken lösen und gemeinsam Möglichkeiten einer für alle vorteilhafte Zusammenarbeit suchen“, lautet sein Credo. „Nicht jedes Dorf kann auf Dauer seinen Bürgern eine vollständige Infrastruktur vorhalten.“ Dieses Beispiel sieht er für vieles andere, was zu überdenken ist, aber noch immer an der Mentalität der Menschen scheitert. Er redet sich in Fahrt, vergleicht mit anderen Regionen innerhalb und außerhalb Deutschlands und zeigt sich enttäuscht, dass der Spreewald bei seinen außerordentlichen Potenzialen nicht schnell genug vorankommt. „Ich bin stolz Spreewälder zu sein! Ich würde mich freuen, wenn das mal von allen gesagt und vor allen Dingen auch gelebt wird“, verleiht er seiner Hoffnung Ausdruck.
Lutz Habermann lebt in einem Drei-Generationenhaus in Münchehofe. Seine Familie, Gattin Marianne und die drei erwachsenen Kinder, sind bei allem Engagement für die Gesellschaft nicht nur sein Lebensmittelpunkt, sondern verkörpern auch sein Idealbild einer funktionierenden Familie. Als immer noch aktiver Kommunalpolitiker, als Sachverständiger Bürger im Kreistag, setzt er sich für die Zukunft seines Dorfes ein. „Zukunft geht nur mit Jugend, und für die muss es sich lohnen, auf dem Land zu leben“, fasst er seine Arbeit in den Parlamenten zusammen. Wohlgemerkt: alles ehrenamtlich, zeitraubend – wie es nun mal bei einem Hobby aus Leidenschaft so ist. Kraft schöpft er bei Urlauben in den Bergen oder an der Ostsee. Aller paar Jahre geht es zur Familie eines alten Freundes nach Südafrika. Daheim weiß er seine Arbeit in guten Händen, aber für ihn bleibt immer noch genug übrig.
Peter Becker/peb1, 04.11.13
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