Eugen Nowak

Leiter Biosphärenreservat Spreewald

Eugen Nowak – mit dem Reservatschef unterwegs im Naturschutzgebiet


Es ist eine lange Anfahrt auf unbekannten Waldwegen, vorbei an der Meierei und über einen alten Damm. Weiter geht es noch ein Stück auf dem Waldweg bis zum Kriegbusch. Hier befindet sich das älteste Naturschutzgebiet im Spreewald. Zu Fuß, rechts und links eine urige Moorlandschaft, geht es noch ein ganzes Stück in den Wald hinein. Nicht weit weg vom Weg brütet ein Schwan, die Besucher stören ihn nicht. Er scheint zu wissen, dass durch dieses Moor ohnehin kein Mensch und wohl auch kein Raubtier an sein Gelege kommt.
„Wir befinden uns hier auf dem Fürstenberg“, erklärt der Leiter des Biosphärenreservates. Da von einem Berg auf den ersten Blick nichts zu sehen ist, ergänzt er: „Im Spreewald machen schon wenige Zentimeter den Unterschied. Hier wachsen Kiefern, die trockenen Boden brauchen“. In der Tat erhebt sich ein kleiner Hügel aus der Landschaft. Der studierte Förster blickt dabei nicht nur auf die hohen uralten Bäume, sondern sucht auch den Boden nach „Zeigerpflanzen“ ab. „Die muss man genau kennen, denn sie zeigen an, welcher Boden hier ist und welche Bäume gut gedeihen.“ Der Blick schweift über eine naturbelassene feuchte Wiese zu einer alleinstehenden Eiche, die ihre mächtige Krone in den Himmel reckt. Dies ist sein Lieblingsort, hierhin zieht er sich gelegentlich zurück, wenn es über schwierige Entscheidungen nachzudenken gilt, fern von Büro und Telefon. Beim Anblick des Baumes, der das Werden und Vergehen versinnbildlicht, wird Eugen Nowak etwas nachdenklich und beginnt aus seinem Leben zu erzählen.
Er wurde 1963 in Warschau geboren, sein Vater ist Pole, seine Mutter Deutsche. Vater Eugeniusz studierte unter anderem an der Berliner Humboldt-Universität Zoologie, ist ein bekannter Ornithologe und wurde später zu einem der Verfasser der Roten Listen. An die Warschauer Zeit, die die ersten sieben Kindheitsjahre ausmachte, erinnert sich Eigen Nowak noch sehr gut: „In der Familie, oben in der Neubauwohnung, sprachen wir deutsch. Unter auf der Straße polnisch.“ Bei einem Verwandtenbesuch in Berlin machte er es natürlich auch so. Verwundert musste er zur Kenntnis nehmen, dass ihn die Kinder auf der Straße nicht verstanden.
Der erste Kontakt zur Natur kam in Masuren zustande, wo der Vater eine biologische Station leitete. Glasklare Seen, Massen von Krebsen und riesige Wälder prägten die Sommer der frühen Kindheit. Doch die Ehe der Eltern scheiterte und mit der Mutter zog er nach Ost-Berlin, während der Vater in der Bundesrepublik eine neue Familie gründete. Inzwischen schon im jugendlichen Alter, hatte Eugen sein erstes Umwelt-Schlüsselerlebnis. Der Katharinensee bei Schildow nördlich Berlin, wo die Familie einen Garten hatte, war aus einem intakten Zustand heraus plötzlich ausgetrocknet. „Ich erinnere mich noch an den klaren See mit seinen weißen Ruderbooten. Von einem Sommer zum anderen war nur ein stinkender Sumpf zurückgeblieben. Erst bei Radtouren in die Umgebung wurde die Ursache klar: das ganze Gebiet war für die Landwirtschaft entwässert worden, die Zuflüsse gekappt oder in Rohre verlegt.“ Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl. Im Westfernsehen wurde auch immer häufiger vom Waldsterben berichtet. Sein Berufsziel formte sich immer deutlicher: „Ich will dagegen was machen! Ich werde Förster und pflanze rauchharte Bäume, um den Wald zu retten!“ Diese löbliche Einstellung ließ sich natürlich in der späteren Ausbildung und Praxis nicht halten. Doch seit damals war klar, dass der Naturschutz für ihn ein Herzensanliegen war.
Eugen Nowak absolvierte in Bad Doberan eine Berufsausbildung mit Abitur zum Forstfacharbeiter. Hier lernte er alle Arbeiten von der Pike auf kennen. Beim Grundwehrdienst bei den Marinepionieren, wo er bei den Bauarbeiten zum Fährhafen Mukran eingesetzt war, erlebte er, wie Großprojekte ganze Landschaften verändern. Das nachfolgende Studium in Tharandt führte ihn noch näher an die Verbindung zwischen Forstwirtschaft und Natur. Der Einfluss des Vaters, zu dem immer noch Kontakt bestand, machte sich deutlich. Das siebente Semester verbrachte er an der Landwirtschaftsakademie im polnischen Poznan. Hier kam er auch anlässlich eines Welttreffens der Forststudenten mit jungen Förstern aus vielen Ländern zusammen, unter anderem aus der damaligen BRD. Ein Treffen, das ihn politisch wie fachlich formen sollte – die Kontakte bestehen zum Teil noch heute.
Im August 1989 - die politische Wende deutete sich an – stand er mit seiner damaligen Ehefrau Gudrun am ungarisch-österreichischen Grenzzaun. Beide wären beinahe vom Strom der Flüchtlinge mitgerissen worden, entschieden sich dann aber für die Gegenrichtung. „Ich wollte die Zustände in der DDR verbessern, fliehen vor der Verantwortung kam für mich nicht infrage“, so seine damalige Überzeugung. Als junger Mitarbeiter im Forstwirtschaftsbetrieb Kyritz wurde ihm u.a. der Einsatz der Pflanzenschutzmittel übertragen. Rückgrat bewies er, als er den Einsatz von Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung aus der Luft unterband und nicht mehr zugelassene Pflanzenschutzmittel entsorgen ließ, anstatt sie noch schnell „vorbeugend“ im Wald auszubringen, wie es manche verlangten. Nach einem Tipp seines Freundes Michael Luthardt bewarb er sich 1992 um die neu zu besetzende Stelle des Referenten für Forstwirtschaft und Jagd im Biosphärenreservat Spreewald. Die folgenden Jahre waren geprägt von harten Auseinandersetzungen um die Waldbewirtschaftung. Er suchte immer das Gespräch auf sachlicher Ebene – im Ergebnis entstand eine neue Bodenkarte des Spreewaldes und ein Bewirtschaftungskonzept, die von allen akzeptiert werden konnten.
Seit 2002 steht er der Reservatsleitung vor. „Ich liebe die Vielfalt der Aufgaben und die zahllosen Kontakte, die der Job mit sich bringt. Den Status UNESCO-Biosphärenreservat sehe ich als Anerkennung und als Verpflichtung für den Spreewald zugleich. Daher komme ich auch nicht umhin, manchen den Spiegel vorzuhalten oder auf Missstände hinzuweisen“, sagt er lächelnd. Dabei kommen ihm seine internationalen Erfahrungen zugute, vor denen sich manches heimische Problem relativiert.
Privat hat Eugen Nowak in Schlabendorf seine Heimat gefunden, wo er mit seiner Uta-Norit und den Kindern Martin und Johanna einen alten Bauernhof bewohnt. Dort er engagiert sich als Ortsbeirat und im Segelverein.

Peter Becker/31.05.13

 

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