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Bernd Pittkunings, Dissen

  • Liederpoet

Der 1960 in Dollgen Geborene ist ein Zwilling. Der Name „Pittkunings“ stammt aus dem Litauischen. Pittkunings wächst in einem Umfeld auf, wo es neben der deutschen Sprache von Funk, Fernsehen und Schule immer auch noch die Spreewälder Mundart gibt. Gerade die Älteren sind es, die sich auf der Dorfstraße in diesem Gemisch aus deutschen Dialekten und einzelnen sorbischen Wörtern unterhalten. Das macht ihn neugierig. Auch viele Grabinschriften zeigen, die sorbischen Wurzeln seiner Heimat, denn die meisten Nachnamen sind sorbische. Es treibt ihn an, er will alles über diese für ihn fremde Welt und vor allen Dingen über die Sprache wissen. Dies lässt ihn Kurse belegen und die Sprache vor Ort, in der Oberlausitz, studieren, wo sie in den katholischen Dörfern noch die Umgangssprache im Alltag ist. Er besucht oft Freunde in der Nähe von Crostwitz. Dort, mitten unter den Sorben und in deren Familien, kann er die Sprache am besten erlernen. Von der Post, bei der ausgebildete Facharbeiter inzwischen arbeitet, wird er unterstützt. Dort findet man es sogar gut, wenn einer ihrer Mitarbeiter sich in dieser Sprache weiterbildet. Außerdem kam so etwas bei den damals üblichen Wettbewerben zwischen den Kollektiven gut an, das brachte Sonderpunkte.

Mit der politischen Wende, die Pittkunings mitten unter den Lausitzer Sorben verbrachte, änderte sich auch für ihn alles. Die Umstrukturierungen bei der Post führten letztlich dazu, dass er diese Arbeit aufgab und Kreisjugendwart im Kirchenkreis Calau/Lübben wurde. Es folgte eine Arbeit als Kulturmanager beim Freizeit- und Jugendring Lübben, bevor er 2003 den Schritt in die Selbständigkeit wagte. Der in einem musikalischen Elternhaus Aufgewachsene hatte inzwischen auch das Gitarrenspiel erlernt und schon sehr bald sein erstes Lied getextet und komponiert. Er ist der einzige sorbische Liederpoet. „Ich überrasche die Leute, weil ich Lieder in deutscher und sorbischer Sprache singe. Außerhalb Ostdeutschlands sind Sorben faktisch unbekannt. Bei meinen Auftritten in Europa und den USA wollten meine Zuhörer genau die sorbischen Lieder hören, sie wollten wissen, wie Sorbisch klingt. Und vor allen Dingen werde ich im slawischsprachigen Raum damit auch ziemlich gut verstanden.“

Mit seinen Liedern bezieht er auch Stellung zu aktuellen Problemen und nimmt Partei für die Minderheit der Sorben, so wie in einem 1998 entstanden Text:

„Wenn ich an Eure Urnen treten soll, um für Euch meine Stimme abzugeben, wisst Ihr, wer ich bin.... Wenn ich aber für ein Kind meiner Familie ein Schulbuch in unserer Sprache möchte, muss ich als Unbekannter betteln.“

Zwischen seinen Auftritten hilft er im Dissener Heimatmuseum aus und führt dort gern Reisegruppen durch die Ausstellung. Hier muss er oft Rede und Antwort stehen, besonders auch immer wieder die Frage nach dem Unterschied zwischen Sorben und Wenden beantworten. Wo sich andere schwer tun oder oft gar Falsches sagen, handelt er das Thema mit einem einzigen Satz ab: „Mit den Sorben und Wenden ist es so, wie mit Spatz und Sperling, mit Sonnabend und Samstag!“

Auch in der benachbarten Kirche macht er Führungen und zeigt hier das bereits 1862 über der Eingangstür angebrachte Fenster mit Einlegearbeiten, wo überdeutlich der Davidstern zwischen den Kreuzen der beiden „Räuber“ auf Golgatha zu sehen ist. „Ein gutes Beispiel von Zivilcourage in einer schwierigen Zeit ist auch die Ausgestaltung der Dissener Kirche mit sorbischen Bibelsprüchen im Jahr 1937 auf Initiative des Pfarrers und Mitbegründers der Domowina- Bund Lausitzer Sorben Bogumił Šwjela (Gotthold Schwella)“, erzählt er seinen Gästen. Im Allgemeinen bringt Pittkunings den Reisegruppen den Klang der sorbischen Sprachen durch eines seiner Lieder nahe. Auf dem Heimweg zu seiner Dissener Wohnung (ohne Fernsehgerät!) wird auf der Straße schon hier und da mal ein wenig geplaudert – auf Sorbisch. Anders als in seiner Kindheit kann er jetzt mitreden, er hat sein damals gestecktes Ziel erreicht: „Hier im Ort pflegt man immer noch diese Sprache.“ Es sind größtenteils die Älteren, meist die Frauen, die noch sorbisch sprechen.

Peter Becker, 01.10.09

 

Bernd Pittkunings

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