Reinhard Mich

Gemüsebauer aus Klein Radden

 

Reinhard Mich

"Ich marschiere straff auf die 'Zwanzig' zu", sagt der 1948 geborene Reinhard Mich. Und erklärt sogleich seinem verdutzten Zuhörer, dass leider nicht er, sondern sein Betrieb, der "Gemüsebaubetrieb Reinhard Mich, Spreewald" im Mai 2012 dieses Jubiläum begeht. Es sind aber nicht nur die zwei Jahrzehnte Leben in der eigenen Firma, sondern davor auch noch fast dreißig Jahre Arbeiten in der Landwirtschaft.

Mit zwei weiteren Geschwistern im bäuerlichen Betrieb der Eltern in Klein Radden aufgewachsen, waren Reinhard die Arbeiten auf dem Feld und im Stall von Anfang an bekannt. Wie alle Kinder damals musste auch er mithelfen. Hausaufgaben, Freizeit - alles ordnete sich in den Ablauf einer Bauernwirtschaft ein. Einen landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen, war für manche Kinder nicht erstrebenswert. Zu sehr hatte sie die schwere Arbeit abgeschreckt. Andere wiederum konnten sich nichts anderes vorstellen, als unter freiem Himmel zu arbeiten und Tiere zu versorgen. Reinhard gehörte zu dieser Gruppe. Eine Gärtnerlehre in der damaligen Klein Raddener landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) "Neue Heimat" war der die logische Konsequenz. Nach dem Grundwehrdienst in Spremberg, der durch die Krise in der CSSR etwas länger dauerte, besuchte er einige Lehrgänge und bildete sich im Fernstudium weiter. In Werder/Havel schloss er dies als Ingenieur für Obst- und Gemüsebau ab. In dieser Zeit lernte er Gisela kennen. Die Fleißdorferin arbeitete wie er in der Gärtnerei Ragow. Die Hochzeit folgte 1973, die Kinder Manuela und Marcel kamen 1974 und 1975 auf die Welt. Reinhard Mich war inzwischen Brigadeleiter für Freilandgartenbau, später leitete er die Technikbrigade. In dieser Zeit schrieb er seine Ingenieursarbeit über den Zentralen Technikeinsatz, die später noch eine wichtige Bedeutung für seine Neuerungen im Meerrettichanbau haben sollte. In der Wendezeit war er eineinhalb Jahre Abteilungsleiter in der LPG Pflanzenproduktion "Vorwärts" in Groß Beuchow. Am 2. Mai 1992 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete seinen "Gemüsebautrieb Spreewald". Reinhard Mich pachtete die Gärtnerei Ragow, konnte und wollte aber den Pachtvertrag nach fünf Jahren nicht verlängern. Ein Erwerb des Betriebes war ihm zum damaligen Zeitpunkt auch nicht möglich. "Das hat mir schon sehr weh getan, denn mein Herzblut, auch das meiner Frau, hing an Ragow. Um Ragow hatte sich bisher vieles in unseren Leben gedreht, wir hätten uns dort eine Zukunft vorstellen können." Ihm ist heute noch eine gewisse Enttäuschung anzumerken.

Von Wir zum Ich

Später konnte Reinhard Mich den ehemaligen LPG-Stützpunkt in Klein Radden erwerben, Technik und Ernte konnten so erst mal untergebracht werden. Reinhard Mich forcierte die Freilandproduktion, besonders den Anbau von Gurken, Meerrettich und Spargel. Mit seinen Nachbarn, den Agrargenossenschaften in Klein Radden und Groß Beuchow sowie dem Landwirtschaftsbetrieb Kloas & Schurten in Hindenberg kooperierte Mich. "Es ist für jeden von uns von Vorteil, wenn wir gegenseitig die Flächen tauschen, damit können wir die Fruchtfolge einhalten", beschreibt Mich diese Form der Zusammenarbeit. In den letzten Jahren hat er sich noch stärker auf die spreewaldtypischen Gemüse konzentriert und betreibt für alle acht Gurkenverarbeiter der Region den Vertragsanbau. Der Meerrettich hat es ihm besonders angetan, denn dessen Anbau ist sehr aufwendig und mühselig. Ein Großprojekt des Landes zur Vermehrung der Schwiegatze, wie die Wurzelableger des Meerrettichs im Spreewald genannt werden, verlief sich im Sande. "Wir haben dann einfach den Ableger zwei- dreimal geteilt und konnten so erfolgreich zur Vermehrung der Kultur beitragen. Dazu hätte es nicht unbedingt der Verschwendung der Mittel für das Forschungsprojekt bedurft, aber uns hat ja keiner so richtig einbezogen", kritisiert er die ihm manchmal unüberlegte erscheinende Förderpolitik. Reinhard Mich: "Wir haben einen alten DDR-Siebkettenroder, der früher in der Kartoffelernte eingesetzt wurde, für die Möhren- und Meerrettichernte umgebaut. Nun brauchen nur noch sechs der sonst notwendigen zwölf Helfer eingesetzt werden, die dann sogar noch den doppelten Ertrag einbringen. Aber wir tüfteln auch noch weiter, denn irgendwann soll die Meerrettichernte vielleicht mal ganz und gar ohne schwere körperliche Arbeit erfolgen." Mehr will er nicht verraten, denn Nachahmer gibt es viele, nicht nur im Spreewald. "Wenigstens eine Zeit lang möchte ich mir einen gewissen Wettbewerbsvorteil sichern", so der Erfinder.

Nicht meckern! Verändern!

Wenn es mal nichts zu erfinden gibt und der Betrieb läuft, ist Reinhard Mich in zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Gremien anzutreffen. Er war fast zwei Jahrzehnte Mitglied im Kreistag und steht heute der Fraktion der Arbeitsgruppe Wählergemeinschaft (AWG) im Lübbenauer Stadtparlament vor, um die Interessen der kleinen Gemeinden zu vertreten. Er ist im Vorstand des Landesverbandes Gartenbau, Leiter des Arbeitskreises Gurken, Fachgruppenleiter Gemüse und im Vorstand des Bundesausschusses Obst und Gemüse. Reinhard Mich war viele Jahre bis zur Eingemeindung Bürgermeister in Klein Radden. Er ist in der Feuerwehr und im Spreewaldverein."Ich muss richtig nachdenken, wo ich überall bin", so Mich. Er gehört zu denjenigen, die gestalten, die sich einbringen. "Meckern hilft nicht, nur verändern" ist seine Devise. "Die Arbeit im Bundesausschuss hat aber auch ihre angenehmen Seiten", so Mich. Mit seiner Frau nimmt er an den organisierten Studienreisen teil, die beide schon zu den interessantesten Anbauorten in der Welt führte. "Diese Reisen sind nicht ganz billig, aber alle zwei Jahre leisten wir uns das.“

 

Peter Becker, 23.01.2012

 

 

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