Sebastian und Anja Kilka

Lehder Landwirte

Dörfliche Idylle wie vor Hunderten Jahren gibt es nicht mehr? Auf Kilkas Bauernhof in Lehde geht es ganz so beschaulich zu, wie es früher wohl gewesen sein mag. Die vierjährigen Zwillinge Franz und Richard stehen im Ochsenkahn und zanken sich um den längsten Stock. Sie wollen mal kurz zum anderen Ufer. Papa gibt das Rudel dafür nicht her, da muss ein Stock reichen. Johann, der Zweijährige, will mit, darf aber nicht. Was lautstark von ihm quittiert wird. Mit verschränkten Armen steht Mama Anja am Ufer und schaut dem Treiben gelassen zu: „Was soll ich machen? Wir leben nun mal überm Wasser, haben keine Brücke und die Kleinen müssen sich frühzeitig an das Wasser und die Gefahr gewöhnen!“ Denen macht es sichtlich Spaß, allein mit dem Riesenkahn ans andere Ufer und zurückzukommen. Das geht nicht ganz ohne nass zu werden. Das Ein- und Aussteigen am Landungsplatz sorgt für zusätzliche Schlammspritzer. „Wozu gibt es Waschmaschinen? Wir leben zwar überm Wasser, aber nicht hinterm Mond“, erklärt ganz unaufgeregt die junge Mutter.
Anja, die 1978 Geborene kommt aus der Stadt. Den Spreewald kennt die Lübbenauerin dennoch bestens, denn schon mit 18 Jahren übernahm sie den Kahn vom Opa und Fährmann Kurt Krüger, später noch den von der Mutter Brigitte Krüger. Als jüngste Fährfrau fuhr sie viele Jahre Gäste durch den Spreewald. Daneben erfolgte eine Berufsausbildung zur Wirtschaftsingenieurin. Beim Lehder Dorffest lernte sie 2006 Sebastian kennen und bald auch lieben. Die Zwillinge kamen 2009 zur Welt, 2010 wurde geheiratet und 2011 kam der dritte Junge.
Sebastian, 1980 geboren, wuchs in Lehde auf. Da wo er heute mit seiner jungen Familie lebt. Ihm ist das Leben auf dem Bauernhof mit all den Entbehrungen aber auch mit seinen schönen Seiten nicht fremd. Er arbeitet als Grabenarbeiter beim Wasser- und Bodenverband. Nach dem Arbeitstag dort ist noch lange nicht Feierabend. Die Kühe der französischen Fleischrasse Blonde d'Aquitaine müssen versorgt werden. Futterbeschaffung steht an, in der Vegetationszeit von den Spreewälder Wiesen. Wenn er mit dem Kahn von der Arbeit kommt, hält er nur mal kurz an, schaut nach Familie, Hof und Tieren und tuckert dann mit seinem Motorkahn zu den oft entfernten Wiesen. Im Winter ist es etwas einfacher. Aber nur dann, wenn genügend Heu auf dem Hof bevorratet ist. „Wir machen allerdings keine Schober mehr, die Zeit habe ich nicht“, erklärt Sebastian Kilka. Er lässt wie viele andere Landwirte auch, sein Heu pressen und holt sich bei günstiger Witterung einige Ballen von der Wiese. Mal mit dem Kahn, mal mit dem Puffschlitten. Schwierig wird es, wenn beides wegen zu dünnen Eises nicht geht. Da ist vorausschauendes Planen und ein verlässlicher Wetterbericht unabdingbare Voraussetzung. Zu den Problemen der Landwirte im inneren Spreewald gehört die umweltgerechte Entsorgung der tierischen Absonderungen. Per Verordnung ist geregelt, dass diese, anders als früher, nicht in das Fließ dürfen. Ein wasserdichter Dungplatz wurde von den Kilkas gebaut, aber ohne Fördermittel des Lehder Fördervereins und der Bürgerstiftung wäre das nicht zu schaffen gewesen. Die relativ geringe Betonfläche gleicht der Bauer durch Höhenstapelung aus. „Dazu wird der Mist an den Rändern geflochten, wie wir Spreewälder sagen. Dadurch entsteht eine Mauer, die den Haufen stützt“, erklärt der junge Landwirt. Gelernt hat er das schon als Kind. Er kann aus einem großen Erfahrungsschatz der traditionellen Landwirtschaft schöpfen.
Anja Kilka plant mit ihrem Mann, den Bauernhof zu einem Schaubauernhof umzugestalten: „Auf der Suche nach einer Arbeit, bei der ich Kinderbetreuung, Haus- und Hofwirtschaft verbinden kann, sind uns diese Gedanken gekommen.“ Einen Namen haben sie auch schon: Mutschenhof. „Weil die Lehder ihre Kühe Mutschen nennen“, erklärt Anja. Sie wird dann ihre Besucher mit dem Kahn auf die Wiese fahren, wer will, kann beim Heu machen helfen. Oder „aufs Acker“, wie die Spreewälder sagen. Wer möchte, kann sich seine Kartoffeln selbst roden oder seine Möhren ziehen und frisch, wie es frischer nicht geht, mit nach Hause nehmen. Inzwischen ist dann auch das Brot im alten Backofen fertig. Im Hofladen werden dann von den Urlaubern Gemüse, Honig und ganz bestimmt auch die von den Lehder Nachbarn hergestellten Marmeladen, Senf- und Meerrettichkonserven noch erworben. Dann geht es mit dem Kahn wieder weiter oder nur ans andere Ufer. Für Urlauber ein Erlebnis der besonderen Art, wenn sie den Hof nur mit dem Kahn erreichen können, hier noch einen nahezu klassischen Erwerbsbetrieb kennenlernen und frische Lebensmittel mitnehmen können. „Wenn die Jungens größer werden, werden sie mir bestimmt dabei helfen“, hofft Anja. Bei aller moderner Technik geht es nicht ohne ein größeres Pensum an Handarbeit ab. Und immer wieder muss mal der eine oder andere Weg mit dem Kahn zurückgelegt werden. „Kahnfahren lernen sie ja grad“, erklärt Anja Kilka, die immer noch das Treiben ihrer Jungen beobachtet. Inzwischen sind auch die Nachbarskinder dazugestoßen. Zu fünft versuchen sie nun dem Kahn eine Richtung zu geben. Als gar nichts mehr geht, hilft Papa Sebastian, der den im engen Gässchen quer gestellten Kahn wieder flott macht.

Peter Becker/peb1, 01.05.13

 

 

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