Von ihrem Bürofenster im ersten Stock der Burger Biosphärenzweigstelle hat Susanne Leber einen guten Überblick über den angrenzenden Kräutergarten und die anliegenden Streuobstwiesen des Spreewalds – beides Dinge, die beruflich wie privat etwas mit ihrem Umweltengagement zu tun haben. Susanne Leber ist Vereinsvorsitzende des „Arznei – und Gewürzpflanzengartens Burg e. V.“ Immer wenn es die Zeit erlaubt, ist sie unter den Besuchern anzutreffen und erklärt denen Nutzen und Wirkungsweise der einheimischen Kräuter. „Wir sehen uns als Umweltbildungseinrichtung und merken, dass wir mit unserem Wissen und unseren Erfahrungen sehr gut ankommen. Die Bereitschaft der Menschen, sich beispielsweise wieder der traditionellen Hausmedizin zuzuwenden oder sich einfach nur gesund ernähren zu wollen, hat deutlich zugenommen“, stellt sie fest. Der Verein hat über 30 Mitglieder, fünf Festangestellte, mehrere Saisonkräfte und bietet Jugendlichen im Rahmen des freiwilligen ökologischen Jahres (FÖJ) ein inhaltsreiches Betätigungsfeld. Der Kräutergarten kooperiert seit über zehn Jahren mit einer norddeutschen Baumschule, die sich auf alte Obstsorten spezialisiert hat und hochstämmige Bäume anbietet. „Wir helfen somit den Spreewäldern, kostengünstig ihre Streuobstwiesen in Ordnung zu halten oder gar welche anzulegen. Sie müssen sich nicht um die Bestellungen oder um die hohen Versandkosten kümmern – das übernehmen wir erst einmal und verteilen das dann auf alle“, so Susanne Leber. Die Nachfrage scheint ihr Recht zu geben, denn jährlich nehmen die Bestellungen der Spreewälder zu.
Den Kräutergarten gibt es seit 1991, die Vereinsgründung erfolgte 1993, vier Jahre später übernahm sie den Vorsitz des Vereins. Die Besucherzahl stieg von etwa 500 in den ersten Jahren auf heute bis zu 10.000 in der Saison - eine Herausforderung für alle Mitarbeiter. Der Garten ist inzwischen auch ein Zentrum der Erhaltung der genetischen Vielfalt; viel ist in diesem Zusammenhang zu organisieren und zu koordinieren. Der etwa ein Hektar große Garten beherbergt 600 verschieden Arten, 40 Kartoffelsorten und 10 alte Getreidearten. Nach einem oft langen Arbeitstag für die Biosphäre kümmert sich Susanne Leber um die Belange des Kräutergartens und um die des Vereins. Die Mitarbeiter kommen mit ihren Fragen und wollen Antworten, täglich gilt es Absprachen zu treffen. „Ein wenig stolz sind wir schon, dass wir es in den Jahren geschafft haben, den Kräutergarten zu einer festen Institution im Spreewald zu entwickeln. Und das wir sogar noch Arbeitsplätze schaffen konnten“, freut sich Susanne Leber.
Unter ihrem Schreibtisch kommt Leben in eine Wolldecke: Dackel Bonni, immer an ihrer Seite, hat nun genug geschlafen und will auf Entdeckungstour in den Kräutergarten. „Ach ja, im Tierschutz bin ich auch engagiert und kümmere mich um seelisch verletzte Tiere. Den Dackel hatte ich aus einer Notsituation heraus übernommen, um ihn später wieder in gute Hände geben zu können. Die ‚guten Hände‘ müssen wohl meine gewesen sein, denn seit über acht Jahren lebt die Hündin nun schon bei mir“, beschreibt sie mit einem Lächeln ihren Einsatz für die Tiere. Platz genug hat sie ja, denn ein Versprechen von damals hat sie eingelöst: Haus und Hof in Byhleguhre fordern ihr die restliche knappe Zeit ab. Unbekümmert gab 1980 die damals Dreizehnjährige ihrer Großmutter die Zusage: „Klar Oma, ich übernehm‘ den Hof, der soll doch in der Familie bleiben!“ Das, was eher zur Beruhigung der schwer kranken Byhleguhrer Großmutter dienen sollte, wurde Jahre später erfüllt. Bis dahin absolvierte die Cottbusserin die üblichen DDR-Bildungswege, durchlief in Löbau ein Vorpraktikum und legte in dieser Zeit auch gleich noch ihre Meliorationsfacharbeiterprüfung ab. Für viele Jahre verließ Susanne Leber ihre geliebte Lausitz und studierte in Rostock Meliorationswirtschaft, eine damals wichtige Wirtschaftsdisziplin. Die Nutzflächengewinnung und –sicherung war erklärtes Ziel der damaligen Staatsführung, um Lebensmittel nicht importieren zu müssen. Auch im Spreewald wurden Wiesen trocken gelegt und für die Acker- und Weidewirtschaft genutzt. Die Eingriffe in das komplizierte Ökosystem des Spreewaldes durfte die Verantwortlichen –trotz aller Kenntnis- nicht weiter interessieren; sie hatten Pläne zu erfüllen. Susanne Leber, frisch diplomiert, erschien 1990 voller Hoffnung zum Vorstellungsgespräch bei der Wasserwirtschaftsbehörde im heimischen Spreewald. Sie wusste, dass es viel zu tun gab und nun nach der politischen Wende mit ihren neuen technischen Möglichkeiten erst so richtig losgehen wird. Der Satz „Sie können wir nicht gebrauchen, Leute Ihres Schlages haben nur Schaden angerichtet!“ klingt immer noch nach, so unerwartet prasselte er auf die junge Ingenieurin nieder. Desillusioniert und ziemlich ratlos, was sie mit ihrem angestauten Wissen anfangen soll, nahm sie ein Zusatzstudienangebot ihrer Rostocker Universität an. Mit der Abschlusserweiterung um die Sachgebiete Landeskultur und Umweltschutz wagte sie in der Spreewaldheimat noch einmal einen Start. Zuerst war es eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Naturwacht Burg, später konnte sie sich für eine der fünf ausgeschriebenen Stellen im Biosphärenreservat Spreewald bewerben – und wurde angenommen. Seit 1994 ist sie Sachbearbeiterin für Arten- und Biotopschutz mit Sitz in Burg. Susanne Leber sieht sich als Ansprechpartnerin für alle Umweltfragen, die die Menschen hier bewegen. Ein „Ich bin nicht zuständig …“ kommt ihr dabei nie über die Lippen. „Woher soll der Bürger, der Tourist, auch wissen, an wen er sich zu wenden hat, wenn er Kühe und Kälber bis zu den Knien im Modder stehen sieht?“, nennt sie ein Beispiel. „Ich weiß um die Sorgen der Bauern, die mit der besonderen Natur des Spreewaldes leben müssen und bei Hochwasserlagen oft keine Wahl haben. Aber ich kann den Bauern sagen, dass sie beispielsweise die Isolatoren für die Weidezäune nicht in die Bäume schrauben sollen oder die Ufer entsprechend auskoppeln müssen. So etwas ist nun mal im Biosphärenreservat zu beachten und auch ohne größeren Aufwand zu bewerkstelligen!“ Susanne Leber ist überzeugt, dass durch eine ehrliche Kommunikation die Zusammenarbeit möglich ist und durchaus Veränderungen bewerkstelligt werden können. Andererseits findet sie es wenig produktiv, wenn immer mal wieder neue Projekte aus dem Boden gestampft werden, die sich durch Kurzlebigkeit auszeichnen. „Es nützt wenig, wenn etwas gestartet wird, aber in den Folgejahren dann keine Mittel mehr für die Fortführung da sind. Das ist Ressourcenverschwendung und hat nichts mit der so notwenigen Kontinuität zu tun“, die man braucht, um Projekte langfristig betreiben zu können, ärgert sie sich.
Aber dennoch, selbst wenn es auch noch so dicke kommt, es gibt für Susanne Leber immer einen Weg, alles wieder ins Lot zu bringen: „Egal bei welchem Wetter, meine ‚Dackeline‘ und ich ziehen dann in die Natur hinaus und genießen einfach nur die Stille, die Weite und das Wechselspiel der Farben. Wenn wir dann nach drei bis vier Stunden zurück sind, sind wir beide wieder wie neu.“
Peter Becker/peb1, 27.10.11
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