Siegried Weber, Klein Radden
„Ich bin eine waschechte Spreewälderin!“, begrüßt Wirtin Siegried Weber - und zeigt sich im Landhausstil. Das, was anderswo, im Süden, vom Gast erwartet wird, ist hier etwas Besonderes. „Ich zeige damit, dass wir uns hier ganz bewusst vom Klischee abheben und unser eigen Ding machen.“
„Zur Alten Sensenschmiede“ heißt ihre Gaststätte in Klein Radden, die seit 100 Jahren im Besitz ihrer Familie ist. Als Jüngste von zwei weiteren Geschwistern 1960 geboren, stand eigentlich von Anfang an fest, dass sie mal von ihrer Mutter Irmgard Jänsch die Gaststätte übernehmen wird. „Die älteren Geschwister waren schon ihrer Wege gegangen und da blieb ja nur noch ich übrig.“ Während der Köchinnenlehre im Lübbenauer „Grünen Strand der Spree“ und als Jungfacharbeiterin lernte sie dort, wie es ist, mit ständig wechselnden Gästezahlen umzugehen. Nebenbei und nach Feierabend qualifizierte sie sich noch zur Gaststättenleiterin - eine damals wichtige Voraussetzung für die Übernahme einer Gaststätte. Eine Zeit lang blieb sie noch bei der Mutter angestellt, bis sie 1990 die Gesamtverantwortung übernahm. Nicht ganz glücklich war Irmgard Jänsch über den Namensvorschlag ihrer Tochter zur Umbenennung in „Zur Alten Sensenschmiede“. Das erschien ihr zu gewöhnlich („Wer geht denn in eine Sensenschmiede zum Bier trinken!?“), sie wollte eher an ihren geliebten Großvater Heinrich Lehmann, dem Gründer erinnert wissen. Siegried konnte sich schließlich durchsetzen.
Beim Dorftanz in Kittlitz lernte sie 1983 ihren Klaus kennen, der damals beim Grundwehrdienst war. Geheiratet wurde 1990, Tochter Stefanie kam aber schon bald nach dem ersten Kennenlernen zur Welt. Sie ist inzwischen ebenfalls Gastronomin und führt in der Schweiz ein Gourmet-Restaurant. Ging es bei der ersten Tochter ziemlich schnell, ließ die zweite, Friderike, noch eine Weile auf sich warten. Sie wurde 2002 geboren. „Irgendwie scheinen sich die Dinge zu wiederholen. Auch Friderike könnte mal das Geschäft übernehmen. Sie ist sehr traditionell, hört leidenschaftlich gern Volksmusik und ist am liebsten unter unseren Gästen“, wagt Ehemann Klaus einen Ausblick auf die Zukunft. Er ist inzwischen angestelltes Familienmitglied und hat seinen eigenen beruflichen Werdegang aufgegeben. Die täglichen Fahrten nach Berlin, er war dort als Bauleiter tätig, und die Arbeit in der Gaststätte zehrten zu sehr an der Gesundheit.
Siegried Weber erinnert sich noch gut an die Mangelbewirtschaftung in den letzten DDR-Jahren: „Es gab zwar einen schönen Bestellkatalog, aber kaum Waren. Uns als Kommissionshändler wurde immer geraten, stets das Doppelte zu bestellen, damit wenigstens die Hälfte geliefert wurde. Aber selbst das funktionierte zuletzt immer seltener.“ Damals wurde deshalb meist kaum mehr als Bockwurst mit Kartoffelsalat ausgegeben. Besonders an die vielen Erntehelfer aus dem Kraftwerk Lübbenau, die in der Saison den LPG-Bauern unter die Arme greifen mussten. Erntehelfer werden heute immer noch versorgt, allerdings mit wesentlich abwechslungsreicherer Kost. Täglich kocht und liefert Siegried Weber mit Unterstützung einer weiteren Angestellten dutzendfach Essen für den ortsansässigen Gemüsebetrieb. „Große Mengen sind für uns kein Problem. Nur dann, wenn plötzlich viel mehr Gäste kommen, als angemeldet.“ Die Wirtin spielt auf ein Erlebnis mit einem Lübbenauer Gast an, der 80 Gäste für eine Familienfeier anmeldete und mit 140 erschien. Siegried Weber setzt auf Tradition, will sich aber auch neuen Entwicklungen nicht verschließen. „Wir bereiten gern Menüs zu, richten kleine und große Buffets her und achten auf die berühmten Kleinigkeiten. Werde ich nach Rezepten gefragt, verrate ich nur, dass ich das Detail liebe.“ Im 100. Jahr des Bestehens der Gaststätte wird an der alten Holzscheune gewerkelt. „Hier soll ein Refugium für unsere Pensionsgäste entstehen. Wer sich mal ganz zurückziehen will, kann dann im Dachboden der Kultur- und Museumsscheune aus der umfangreichen Bibliothek wählen und ungestört dort oben lesen“, erklärt Klaus Weber die Umbauarbeiten. Und an Siegrieds Urgroßvater, den Gründer, erinnert ein frisch renovierter Schriftzug an einem bereits 1910 errichteten Gebäudegiebel: „H. L.“ - Heinrich Lehmann.
Peter Becker/peb1,
30.08.12
www.sensenschmiede.de: Feierlichkeiten zum 100. Gaststättenjubiläum Anfang Oktober 2012 |