Eine geschäftstüchtige Dogge hat's geregelt
„Theina vom Nerusgral“ hatte es auf ihre Art entschieden: Mitten in der Ruine, im ehemaligen Tanzsaal, hockte sie sich die Hündin hin und zeigte damit, dass dieser Ort sich bestens fürs Geschäftliche eignet. Die Dogge, von allen nur liebevoll „Trude“ genannt, nahm Gabriele und Gernot Schreinert die Entscheidung ab. „Wir waren auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie im Spreewald und hatten uns schon einige Objekte angesehen. Nirgends war dieser Hund zu bewegen, mit ins Haus zu kommen. In Neuendorf dann geschah das Unerwartete. Da wir uns selbst nicht für eines der Objekte entscheiden konnten, nahmen wir das Signal der Dogge als Omen“, erinnert sich Gabriele Schreinert an die Zeit vor 15 Jahren, als sich das Gastronomenpaar endlich selbstständig machen und in Eigenverantwortung ihre Ideen von Gästebewirtung und Restauration umsetzen wollte.
Die 1959 in Königs Wusterhausen geborene Gabriele wuchs in einem ländlichen Umfeld auf, denn die meiste Zeit verbrachte sie bei der Oma im Beestenseer Suschketal. „Dort war es immer so gemütlich, stets waren irgendwelche Leute da, denn meine Großeltern waren sehr gesellig veranlagt. Immer gab es einen dekorierten Tisch, die Natur stellte das Material zur Verfügung. Meine Oma und auch meine Mutter sind da sehr talentiert, da habe ich mir viel abgucken können“, erinnert sich Gabriele an Kindheit und Jugend. Dieses Umfeld, in dem der Gast im Mittelpunkt steht und ihm die ganze Aufmerksamkeit gehört, war der Auslöser für ihren Berufswunsch. Schon neben dem Abitur und später während des Studiums an der Leipziger Hochschule für Hotel- und Gaststättenwesen arbeitete sie als Aushilfskellnerin. „So ganz nebenbei“ machte Gabriele noch den Abschluss als Barkeeperin, Kaltmamsell und als Serviermeisterin. Zeit für das 1979 inmitten des Studiums geborene Kind Stephanie blieb da auch noch, und auch der Umzug der kleine Familie mit Ehemann Gernot zurück ins heimatliche Rand-Berlin wurde gemeistert. Gabriele erhielt im Berliner Fernsehstudio die Leitung des dortigen Kasinos übertragen. „Das war eine Rundum-Betreuung, denn wir hatten praktisch immer geöffnet. Die Macher und die Stars, die Handwerker und Bühnentechniker, auch die zahlreichen internationalen Gäste – sie alle kamen zu den unterschiedlichsten Zeiten und wollten bedient werden“, schätzt sie heute diese Zeit ein, die ihr ganzes Organisationstalent und Geschick erforderte. Jahre später, in Ludwigsfelde, leitete sie ein Tanzlokal. Von der damaligen Handelsorganisation (HO) wurde sie dort als gastronomischer Direktor angestellt und führte die Einrichtung über die Wendejahre bis 1999, nun aber als Mieterin des von der Treuhand verwalteten Gebäudes.
Problem Treuhand
Gabriele Schreinert lässt kaum ein gutes Haar an dieser Abwicklungseinrichtung der Wendezeit: „Die Mieten wurden so stark erhöht, dass wir fast zum Aufgeben gezwungen worden wären. Es gelang uns aber an einen Lebensmitteldiscounter unterzuvermieten, sodass wir gerade so über die Runden kamen“, erinnert sie sich an die Nerven aufreibende Zeit mit Anwalt und Gerichtsterminen, denn die Treuhand zeigte sich weiterhin wenig kooperativ und weigerte sich, ihren Pflichten als Verpächter nachzukommen. Das war der Punkt, der uns nach etwas Eigenem Ausschau halten ließ. „Und so kamen wir in den Spreewald, dank ‚Trude‘“.
In Neuendorf galt es erst mal zu entrümplen, zu reparieren und zu sanieren. „So nah an der Natur des Spreewaldes, so nah auch an den Erinnerungen an das Suschketal, kam der grüne Daumen wieder zum Vorschein, der mich mein Marketingkonzept voll darauf ausrichten ließ. Mein Mann hat inzwischen die Leitung der Hotelküche im benachbarten Niewitz übernommen, sodass ich mich voll auf mein Haus konzentrieren kann. Wir haben jeder unseren ‚Buddelkasten ‘“, beschreibt Gabriele Schreinert die Situation, die sich in den letzten Jahren so ergeben hat. Gleich nach der Einweihung der Gaststätte 1997 wurde der namensgebende Baum am Eingang gepflanzt. „Klaps Liebling“ heißt seit dieser Zeit die kleine kuschlige und stets liebevoll dekorierte Gastlichkeit. „Wir dekorieren sehr aufwendig die vier Jahreszeiten im Gastraum und in den Suiten. Da wo Trude sich mal niederließ, sind jetzt gemütliche Zimmer entstanden. Vor der Adventszeit treffe ich mich mit meinen Mitarbeitern zum Entenessen mit Rotwein und dann stürzen wir uns in die Weihnachtsdekoration und übertreffen uns dabei gegenseitig mit Gestaltungsideen“, erzählt sie über die gemeinsamen Arbeitseinsätze.
Mit dem grünen Daumen unterwegs
Im Mittelpunkt der Gästebewirtung steht der Bezug zur alles gebenden Natur. Kräuter kommen aus den Töpfen („ich bepflanze alles, was wie ein Topf aussieht“) oder von der angrenzenden Wiese. Da alles frisch zubereitet wird, kommt es öfter vor, dass sich die Chefin die Schürze umbindet, in die Gummistiefel fährt und über die Wiesen zieht, bis sie ihre Kräuter hat und vor den Augen des Gastes auftürmt. „Der wundert sich dann manchmal, dass ich dann nur ein Blatt nehme und das Fleisch darin einwickle und gare. Am meisten wundert er sich, dass es überhaupt möglich ist, aus Unkraut, wie er unsere Wildkräuter nennt, solche Gerichte zu zaubern.“ Gabriele Schreinert stimmt es ein wenig traurig, dass sich manche Menschen so weit von der Natur entfernt haben und sich nur noch den „Errungenschaften“ der modernen Wissenschaft und Technik unterwerfen. In Erinnerung geblieben ist ihr ein Vorfall mit einem Kind eines Gastes: Das kleine Mädchen war beim Rollern hingefallen, hatte sich dabei die Knie blutig geschürft und schrie nun fürchterlich. Die besorgte Mutter wollte den Notarzt rufen, aber Gabriele erinnerte sich an ähnlich Vorfälle aus ihrer Kindheit und tat das, was auch schon Oma und Mutter taten: Sie strich Honig auf die Knie und bedeckte die Schürfwunden mit Lindenblättern. „Linde weil’s lindert, und jetzt gibt’s noch einen Tee aus Feenstaub“, beruhigte sie Kind und Mama, die nun zu ihren Stammgästen gehören.
Dank „Trude“ sind die Schreinerts dort angekommen, wo ein Leben inmitten der Natur möglich und auch für sie einzig sinnvoll erscheint. Bei täglichen Spaziergängen mit „Alexa von Belvedere“, der Nachfolgerin der Schicksals bestimmenden Dogge von damals, tankt Gabriele frische Luft. „Ich liebe den Wind, der wirbelt meine Gedanke so schön durcheinander und sortiert sie auch wieder!“ Mit der schon fast erblindeten „Ellimausi“, wie sie kurz ihre adlige Dogge nennt, kuschelt sie manchmal an der Scheunenwand in der Morgensonne. „Der Dogge tut das genau so gut, sie erdrückt mich fast. Und wenn dann auch noch die Katzen dazu kommen, spüre ich die Glückseligkeit.“ Froh gelaunt geht es dann wieder in die Gaststube, immer etwas Nützliches in der Hand: ein Blumensträußchen, eine Frucht, ein schöner Stein …
Peter Becker/peb1, 21.08.11
s.a. www.klapsliebling.de
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