Erich Schiderski

Erich Schwiderski, Lübbenau

  • Imker

Erich Schwiderski – Imker ein Leben lang


„Hab ich dich endlich mal erwischt!“ Mit diesen Worten zog die Bäuerin den kleinen Erich aus dem Gebüsch. „Dabei hatte ich gar nichts Böses vor“, erinnert sich Erich Schwiderski an seine Kindheit in den ostpreußischen Dörfern Wittbach und Gleisgarben, die zu seinem Schulweg gehörten.  „Ich war auf dem Heimweg derart vom Treiben der Bienen beeindruckt, dass ich mich oft auf die Lauer legte und lange zusah. Außerdem: Je später ich daheim ankam, desto weniger brauchte ich in der Landwirtschaft zu helfen“, lächelt er noch heute verschmitzt. Die Bäuerin schien erleichtert zu sein und Erich durfte sich nun mit ihrer Erlaubnis häufiger bei den Bienen aufhalten und sogar mithelfen. Mit einem ersten Glas Honig, das er bald dafür bekam, kam er daheim an und verkündete seiner Mutter stolz: „Wenn ich mal groß bin, will ich so viel Bienen haben, dass ich jeden Tag Honig essen kann!“ Erich war und ist wohl einer der wenigen, bei dem sich auch später der Kindheitstraum erfüllen sollte. Es begann damit, dass der Zehnjährige einen in einem Heuhaufen niedergelassenen Bienenschwarm freudig einfing und in einer Strohbeute zuhause aufstellte. „Aber ich hatte eigentlich keine wirkliche Ahnung und habe bald das Volk kaputt gepflegt. Da ich so traurig war, besorgte mir der Vater von einem Bauern, der die Zucht aufgegeben hatte, drei Völker. Nun war die Welt wieder in Ordnung“, berichtet er über seine Kindheit und Jugend, in der sich alles um Bienen drehte.

Kaum Erwachsen und schon heimatlos


Die Schule war drei Kilometer entfernt im Nachbarort und musste sommers wie winters zu Fuß erreicht werden. Die harten ostpreußischen Winter sind dem Jungen, der 1927 geboren wurde und der Zweitälteste von neun Geschwistern war, noch heute in Erinnerung: „Schlechtes Schuhwerk, abgetragene  Kleidung und oft lausig-kalte Schneestürme – da habe ich manchmal vor Wut und Verzweiflung geweint. Der Unterricht war auch nur ein Notbehelf, denn der einzige Lehrer war zur Wehrmacht eingezogen. Lediglich seine Frau beschäftigte uns, oft mehr schlecht als recht.“ Nach der Schule begann er zielstrebig seine Lehre – natürlich als Imker. Erich war seinem Ziel nun ganz nah, er konnte die Ausbildung auf dem Bienengut Steinhof abschließen, wurde dann aber sogleich, als Siebzehnjähriger, zum Volkssturm einberufen. Hier bekam er unmittelbar die Schrecken des Krieges zu spüren, denn er und seine Kameraden wurden Zeugen des sowjetischen Massakers in Nemmersdorf. „Diese Bilder vergesse ich nie – und der Schneid zur Verteidigung des Reiches war weg! Wir wollten einfach nur nach Hause!“ Glück im Unglück: Sein Imker-Lehrmeister war auch zugleich im Wehrkommando tätig und konnte ihm einen Marschbefehl ausstellen: Als Treckführer in Richtung Westen. Über das zugefrorene Frische Haff führte er den Konvoi, wurde aber Tage später vom Kessel um Kolberg aufgehalten und kam dabei in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach drei Jahren im sibirischen Steinkohlenbergwerk führte ihn sein Weg nach der Entlassung erst nach Berlin, dann nach Erfurt. „Ich wusste nicht wohin und nahm einfach den nächsten Zug – und der fuhr nach Thüringen. Dort in der Bahnhofsmission traf ich einen Bauern, der für seinen gefallenen Sohn dringend Hilfe auf dem Hof suchte. Ich nahm die Stelle an, konnte mich dort auch erst mal satt essen und bekam ordentliche Kleidung. Mir ging es gut, aber ich blieb nur zwei Jahre und folgte einem Aufruf in die Kohle.“ Eigentlich sollte er dort die E-Lok fahren, wurde aber dann zum Baggerfahrer ausgebildet. „Ich hatte von beidem keine Ahnung, da wars mir auch egal.“ In Lauchhammer fand er eine gut bezahlte Arbeit mit besseren Lebensmittelkarten. Hier fand er auch in Vera, einer Pommer’schen, die Frau fürs Leben, die Töchter Jutta und Christa wurden geboren.

Ein Schwarm für eine Königin


Die Luft schwirrt und brummt plötzlich, der erfahrene Imker sitzt in seinem Lübbenauer Garten am Lehder Fließ, hebt den Kopf und unterbricht seine Erzählungen. „Das gibt es doch nicht! Genau jetzt beginnt ein Volk auszuschwärmen und sucht sich eine neue Bleibe! Da muss ich mich gleich drum kümmern!“ Sprachs und verschwand, um mit einer langen Leiter wiederzukommen. Der Schwarm hatte sich inzwischen im hohen Birnbaum niedergelassen. Der Dreiundachtzigjährige schnappte sich Schwarmkasten und Sicherungsleine und fing in großer Höhe, mit dem Baum bedenklich schwankend, die Bienen samt Königin ein. Ein Stich einer Biene bringt ihn dabei nicht aus der Ruhe und die Haut nicht mal zum Schwellen. „In den Jahrzehnten sind schon einige Liter Bienengift durch meinen Körper geflossen. Ich spüre da nur noch ein angenehmes Kribbeln“, erklärt er sichtlich gelassen die Attacke.
Den Garten, entstanden auf dem Aushub der Lübbenauer Alten Badeanstalt hatte er sich gleich besorgt, als er mit seiner jungen Familie 1961 in die Stadt zog. Zuvor hatte er den Spreewald bei einer Kahnfahrt kennengelernt und war begeistert: „Das ist ja ein Bienenparadies, hier möchte ich wohnen und Bienen züchten“ entfuhr es ihm damals spontan. Arbeit und Wohnung wurde bald gefunden. „Die Neubauwohnung war ebenfalls paradiesisch. Zuvor hatten wir in Kostebrau nur anderthalb Zimmer mit Brunnen und Klo auf dem Hof“, kann er sich erinnern. Bienen hatte er aber auch schon dort. Sein alter Lehrmeister, inzwischen in der Uckermark wohnend, hatte ihm vor seiner Republikflucht noch schnell alle Völker übergeben.

Den Spreewald im Glas


Der Bienenschwarm ist gerade untergebracht, da ertönt vom Fließ her ein Ruf. Mit „ich muss mal kurz Honig verkaufen“ geht Erich Schwiderski an seinen kleinen Verkaufsstand am Ufer. „Ich kann mir damit ein wenig die Rente aufbessern. Meine Kunden kommen aus aller Welt. Mit dem Honig nehmen sie ein Stück Spreewald mit nach Hause “, freut sich der Imker. Etwas wehmütig blickt er auf Zeiten zurück, in denen die Imker eine Abnahmegarantie durch den Handel mit garantierten und stabilen Preisen hatten: „Das war eine gute Zeit für uns Imker. Wir waren ständig mit den Bienenwagen unterwegs. Schließlich haben wir mit unseren Bienen auch der Landwirtschaft geholfen, ihre Erträge zu sichern.“
Inzwischen ist wieder Ruhe am Ufer eingekehrt, das Schwarmvolk versorgt und Erich Schwiderski kann sich wieder um seine anderen Bienen kümmern. Mit der Wabenzange hebt er ganz ruhig Wabe für Wabe ab, spricht sogar mit den Bienen und kontrolliert dabei die Zellen. Er ist bei dieser Arbeit sichtlich zufrieden. Nach schweren Erkrankungen hat er wieder Kraft geschöpft und sieht zudem noch einen Sinn in seinem Dasein. „Ich habe mit den Bienen gelebt, sie sind mein Leben so lange, bis mir die Wabenzange aus der Hand fällt!“


Peter Becker, 07.07.11

Fotoalbum Schwiderski

 

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