„Dürfen wir mitmachen …?“Schüchtern und vorsichtig fragend, wagten sich die 14-jährige Verena mit ihrer besten Freundin und Cousine Christin Lehmann in die Tiefe des Versammlungsraumes. Hier tagte die Burger Domowina-Jugendgruppe und beriet die nächsten Höhepunkte. Für die Burger Jugend ist es Ehre und traditionelle Pflicht zugleich, die wendischen Feste in eigener Regie vorzubereiten und durchzuführen. Das Jahr beginnt mit der Jugendfastnacht, geht weiter mit dem Osterfeuer, dem Maibaumaufstellen und endet mit dem Hahnrupfen. Auch eine jährliche gemeinsame Ausfahrt, der Lohn für ihre Arbeit, steht auf dem Plan. Da ist viel Arbeit zu stemmen und Organisatorisches zu leisten. „Klar dürft ihr!“, lautete die freudige Antwort, „kommt gleich am Wochenende zum Zacken sammeln!“ Die Mädchen waren plötzlich mittendrin in der Jugendgruppe, fühlten sich gebraucht und wichtig. Für Verena endete der Einsatz fürs Osterfeuer erst einmal in einer Pfütze. Voller Übereifer wollte sie den größten Ast aus dem Gestrüpp zerren – und landete mit dem Hintern in einer Wasserlache. Durchnässt und die Spötter tapfer aushaltend, legte sie sich weiter ins Zeug. Am Abend des Tages war der Hänger voll mit alten Ästen, ein Stück der Wendenkönigstraße gesäubert und das Osterfeuer gesichert – Verena war glücklich dabei gewesen zu sein und zum ersten Mal, so ganz ohne Erwachsene, etwas für die Gemeinschaft geleistet zu haben. Das Missgeschick war schnell vergessen und schnell zur Nebensache geworden.
Die 1990 geborene Verena blieb Einzelkind, hatte aber im nahen Byhleguhre Verwandte mit etwa gleichaltrigen Kindern. Dort verbrachte sie viel Zeit auf dem Hühnerhof, tobte im ausgeschlachteten Trabant herum und lernte in der traditionsgeprägten Familie ganz früh die wendischen Bräuche kennen. Staunend glitt ihr Blick über die Festtagstracht der Mutti, so wollte sie auch mal gehen. Dazu kam es bald: Die Vierjährige bekam die kleinste Kindertracht, die es gab und durfte als Kinderpaar mit einer Freundin erstmals ganz vorn bei der Fastnacht mitmarschieren. „Es war klirrend kalt und meine Mutti und die Tante haben mich immer mal gewärmt, aber ich wollte das gar nicht, ich wollte zurück an die Spitze“, erinnert sich Verena an ihren ersten Trachtenumzug. Inzwischen 13-jährig, sollte sie erstmals mit einem Jungen im Zug der Erwachsenen gehen. Ihr zugeordneter Partner war Sven Jank. „Der war viel älter und erfahrener, er hat sich sehr um mich gekümmert und mir geholfen, stets das Richtige zu machen“, blickt Verena zurück, die von da an ohne Unterbrechung an der Fastnacht teilnahm.
In der Burger Schule besuchte Verena bis zur sechsten Klasse den Sorbischunterricht und legte dort 2009 ihr Abitur ab. Es folgte eine Ausbildung als Physiotherapeutin, der sich in Senftenberg ein Bachelorstudium im gleichen Fachgebiet anschloss. Nebenbei trainiert sie Kinder im Gerätturnen, einen Trainerschein hat sie abgelegt. Immer wenn es die Zeit erlaubt und wenn sie gebraucht wird, hilft sie in einer Lübbenauer Praxis und vervollkommnet dort ihre fachlichen Kenntnisse. Und da ist noch das Reiten: Wie viele andere Mädchen auch, fühlt sie sich auf dem Rücken der Pferde richtig wohl. Sie hält sich und die Pferde damit fit, denn der Landwirt hat kaum Zeit für regelmäßige Ausritte. Jährlich ist sie dabei, wenn für die Osterreiter in Nebelschütz Pferde zur Verfügung gestellt werden. „Die haben dort gar nicht so viele Pferde für ihre großen Umzüge. Wir bringen sie dorthin und fahren anschließend mit den Pferden wieder zurück. So unterstützen wir aus dem Spreewald das Osterreiten in der Oberlausitz!“
Das Traditionelle ihrer Heimat, die Arbeit in der Jugendgruppe und die Pflege des Brauchtums verliert sie dabei nie aus den Augen. Bei der Burger Trachtenstickerin Christa Dziumbla ging sie in die „Lehre“ und lernte ein halbes Jahr das Sticken und Binden der Haube. Eine eigene Haube zu besitzen, war ihr ehrgeiziges Ziel. Inzwischen hat sie sogar zwei: „Eine weiße für die Fastnacht und eine etwas gedecktere für das Hahnrupfen.“ An manchen Abenden sitzt sie und stickt nun am Rockband, ein ganz eigener soll es werden, so ganz nach ihren Vorstellungen.
Inzwischen ist sie für die Jugendgruppe „zu alt“ - so sieht sie sich jedenfalls. Nach zehn Jahren Arbeit in der Gruppe, im Vorstand und in verschiedenen Funktionen, sieht sie es an der Zeit, die Jüngeren heranzulassen. Verena geht aber nicht einfach von Bord, sie sucht Nachwuchs und will das bestellte Feld in guter Obhut wissen. Es ist inzwischen nicht einfacher geworden, es gibt weniger Jugend, das Interesse scheint auch ein wenig abzuflachen. Die Zeiten, als noch schüchtern um Mitarbeit gebeten wurde, scheinen erst einmal vorbei zu sein. Dennoch ist Verena überzeugt, dass die Jugendgruppe weiter besteht, wenn auch vielleicht etwas kleiner. Und sie ist ja nicht aus der Welt: Sie wird stets mit Rat und ihrer Erfahrung helfen – zu sehr ist ihr die Traditionsarbeit, das Erbe der Eltern, ans Herz gewachsen.
Peter Becker/peb1, 07.03.14
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