Wilfrid Baronick

Gemüsebauer Burg/Spreewald

Gemüsehof Baronick

„Der Standesbeamte muss einen schlechten Tag gehabt haben, sonst hätte er meinen Namen hinten mit ‚ie‘ geschrieben. Nun muss ich ein Leben lang erklären, dass ich ein Wilfried mit nur einem ‚i‘ bin“, erklärt der 1954 Geborene gleich zur Begrüßung. Er ist inmitten des Spreewaldes mit noch fünf nachfolgenden Geschwistern auf einem Bauernhof aufgewachsen. Das mag für den Außenstehenden vielleicht ein wenig romantisch-verklärt anmuten, nicht aber für den Betreffenden: „Kinderarbeit war Alltag und die Freizeit knapp, ohne unsere Mithilfe hätten die Eltern es auch nur schwer schaffen können. Von morgens bis abends auf dem Feld, nebenbei noch die Schule bewältigen und auf die Kleinen aufpassen – da wollte ich irgendwann einfach nur raus,“ blickt er heute auf diese entbehrungsreiche Zeit zurück. Und die Gelegenheit ergab sich bald. Der sportliche Junge hatte sich der Leichtathletik verschrieben und wurde zur Kinder- und Jugendsportschule nach Forst delegiert. Die Eltern verzichteten ungern auf die Mithilfe ihres Großen, hatten aber auch ein Einsehen und stellten sich der sportlichen Entwicklung nicht in den Weg. Wenn ihm auch sein Sport wichtig war, so konzentrierte er sich auch auf eine ordentliche Berufsausbildung. Er wurde Agrotechniker und blieb der Landwirtschaft dadurch weiter verbunden. Im volkseigenen Gut Leuthen legte Wilfrid die Facharbeiterprüfung und gleichzeitig das Abitur ab. Wieder zurück bei den Eltern, wurde er Mitglied der Burger Produktionsgenossenschaft „Wiesengrund“. Es folgten kurz darauf der Wehrdienst und das Studium des Gartenbaus an der Berliner Humboldt-Universität. Nun hoch qualifiziert, hätte er wieder zurück in den Spreewald gehen können. Irgendwie schien ihm die Aussicht auf eine Arbeit im Spreewald, nun auch in verantwortlicher Position, schon verlockend. Wilfrid Baronick zog dann aber das angebotene Forschungsstudium vor und widmete sich in seiner Doktorarbeit dem Spargelanbau. „Ich kam aber nicht voran und letztlich gab ich nach drei Jahren auf und begab mich zurück zu meinen Wurzeln, auf den elterlichen Hof“, resümiert er seine Berliner Zeit. Inzwischen fand er in Sybille, einer Naundorferin, die Frau fürs Leben, die Söhne Christopher und Pierre wurden geboren. Beide sind heute noch in unmittelbarer Nähe: Christopher ist für den Gemüseverkauf im Familienbetrieb zuständig und Pierre betreibt in Burg-Dorf eine Anwaltskanzlei.

Von der Uni in die raue (Un-)Wirklichkeit


Wilfrid Baronick wurde in der Burger LPG Abteilungsleiter Gemüsebau und stand acht Brigaden vor. Auch das währte nur kurze Zeit, denn er wurde im schicksalhaften Wendejahr 1990 LPG-Vorsitzender. „Es hätte mich kaum schlimmer treffen können! In wenigen Monaten änderte sich das Umfeld schlagartig, ein so großer Betrieb wie unsere Genossenschaft mit 600 Mitgliedern sollte nun von heute auf morgen auf die freie Marktwirtschaft umgestellt werden. Das war einfach nicht zu erbringen“, schätzt Wilfrid Baronick heute ein. Ein Ausweg sah er in der Gründung einer Erzeugergemeinschaft für Spreewaldgemüse, um gemeinsam mit anderen Partnern die Vermarktung selbst zu organisieren. Mit der Währungsunion 1991 war das Wirtschaften noch schwieriger geworden, denn die Lebensmittelketten bevorzugten die niedrigpreisigen Produkte aus den alten Anbaugebieten wie etwa dem Rheinland. Wilfrid Baronick: „Mir ist es damals nicht gelungen, den Vorstand unserer Genossenschaft für die Erzeugergemeinschaft ‚Spreewaldmarkt e.G.’ zu gewinnen, dem mir einzig möglich erscheinenden Weg, um einigermaßen effizient wirtschaften zu können.“ Der Bruch war vorgezeichnet und auch bald vollzogen - Wilfrid Baronick konzentrierte sich nun auf seinen eigenen Hof, gab aber immer noch nicht die Hoffnung auf, Spreewaldgemüse für den Markt zu produzieren. Im Glauben auf Erfolg nahm er Kredite auf und stellte den Hof auf moderne Produktion um. „Eine Fehleinschätzung! Mit anderen Gemüsebauern in klassischen Erzeugerregionen mit wesentlich besseren Bodenwertzahlen konnten wir hier im Spreewald nicht mithalten. Die Kredite mussten aber bedient werden, was immer schwieriger wurde. Viel zu gering war dafür unser Erlös“, muss er rückblickend einräumen. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der fatalen Situation fand er im Rheinländer Karl-Heinz Ricken einen Partner, der sofort bereit war, im Spreewald eine Gurkenproduktion aufzubauen. Auf dem Hof der Eltern wurde der „Spreewälder Gemüsehof Ricken KG“ mit Wilfrid Baronick als Partner gegründet. In den folgenden intensiven Arbeitsjahren gelang es dann sogar, die Kredite zu bedienen und eine einigermaßen funktionierende wirtschaftliche Basis aufzubauen.

Gemüsebauer mit Nischenblick

Nun wieder allein wirtschaftend, setzt Baronick auf die Nischenprodukte, denn Gemüseanbau im großen Stil ist immer noch nicht rentabel genug. „Immer mehr Kunden setzen inzwischen auf gesundes Gemüse und kaufen es direkt beim Erzeuger ein. Sie wollen wissen, woher es kommt und wie es angebaut wird. Das ist meine Kundschaft, die ich im wahrsten Sinne des Wortes bediene“, beschreibt Baronick seine gegenwärtige Situation. Nach den stürmischen Jahren mit Beulen, Schrammen und viel Erfahrungen, ist der Gemüsehof jetzt gut aufgestellt. „Wir beliefern unsere Stammkunden und auch einige Wochenmärkte in Cottbus, Berlin und Burg mit einem breiten Sortiment, das so nicht alle bieten können. Neben dem klassischen Gemüse bieten wir auch viele seltene Arten wie Cardy, Artischocken, Knollenfenchel, rote Möhren, Andenbeere und andere Besonderheiten an“, beschreibt der Hofchef das aktuelle Sortiment. Besonders freut ihn, dass sein Internet-Shop gut angenommen wird. „Viele Gesundheitsbewusste bestellen bei mir Topinambur. Die robuste Pflanze macht wenig Arbeit und ist besonders bei Diabetikern als Kartoffelersatz beliebt“, zeigt er sich vom Erfolg des Online-Handels angetan. Wilfrid Baronick legt auf alte samenechte Sorten wert. Viele seiner Produkte werden wie eh und je aus diesen Samen gewonnen und dienen selbst wieder der Samenbildung. Darunter sind auch solche Sorten, wie der seltene Winterpostelein (Gewöhnliches Tellerkraut), ein nitratarmer und deswegen gesunder Salat. „Ich will einfach weg von den ‚Samenmonopolisten‘ mit ihren überzüchteten und oft anfälligen Sorten. Ich setze auf Einfachheit und Bewährtheit und spare mir so einen großen Teil der teuren Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Allerdings hat das Gemüse dann auch seinen Preis, denn Massenproduktion ist so nicht drin“, erklärt Baronick sein Konzept. Dazu passt auch, dass es auf dem Hof sehr lebendig zugeht. Im hinteren Teil grunzen und quicken etwa vierzig Sattelschweine, eine ebenfalls vom Aussterben bedrohte Haustierrasse. Gelegentlich werden die noch vom Schreien der Pommerngänse übertroffen – eine weitere seltene Haustierart. „Auf die Idee mit der Tierzucht sind wir gekommen, weil uns das Wegwerfen des vom Wochenmarkt übrig gebliebenen, aber meist nur welken Gemüses zu schade war“, erklärt Baronick den tierischen Ableger seines Hofes. Und er ist stolz darauf –ähnlich wie bei den samenechten Pflanzen- damit einen Beitrag zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Haustierrassen zu leisten.
Er ist nun dort angekommen, wo er als Kind und Jugendlicher eigentlich nicht unbedingt hin wollte, es ihn aber wegen der gemachten Erfahrungen auf dem elterlichen Hof doch letztlich hin zog. Seine Ausflüge in die Sportwelt gibt es dagegen immer noch: Als begeisterter Radsportler des Cottbuser Veloteams legt er bis zu 6000 Kilometer im Jahr zurück. Wenn er seinen Bürocomputer anschaltet, strahlt ihn ein vitaler Radsportler an. Dieser hatte eben mal in 24 Stunden die Strecke vom Fichtelberg nach Kap Arkona zurücklegt – er selbst. Vielleicht ist es für ihn auch eine Art Motivation: Wer durchhält, ist letztlich erfolgreich!

Peter Becker/peb1, 01.12.2011

 

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