„Wenn ich meinem Vater etwas verüble, dann die Tatsache, dass er meinem Drängen nachgegeben hatte: Er ließ mich mit der achten Klasse die Schule verlassen!“, blickt der 1954 in Cottbus geborene und in Leipe aufgewachsene Werner Staritz etwas traurig zurück. Wie so viele seiner Altersklasse war auch er der Schule überdrüssig und wollte ins Leben. Dabei war sein Vater eine Zeit lang sogar sein Lehrer, er hätte es besser wissen müssen. Hans-Joachim Staritz, der Vater, kam 1960 als Lehrer nach Leipe. Die Familie wohnte mit ihren sieben Kindern direkt in der Dorfschule – für Werner ein sehr kurzer Schulweg. Mit der sechsten Klasse sollte sich dies ins Gegenteil verkehren: Die älteren Leiper Kinder mussten nun nach Lübbenau zur Schule. Eine Straße gab es nicht, nur ein mehr oder weniger gut mit dem Fahrrad befahrbarer Weg entlang der Spree. Der findige Hausmeister der Schule, Karl-Heinz Panzer, baute 1964 einen Stahlblechkahn um: Er bekam ein Verdeck, Klappsitze und einen Kanonenofen. Am Kanonenofen war dann auch der Stammplatz der älteren Schüler, im Sommer wie im Winter. „Wenn du erst am Ofen sitzt, hast du es geschafft und brauchst bald nicht mehr zur Schule“, erzählt Werner Staritz. Vielleicht auch ein Grund, seinen Vater zu drängen, die Schule verlassen zu dürfen. „Nach Burg an die neue Schule wollte ich auch nicht, denn wir waren 1969 der letzte Kahn-Jahrgang. Ab dem neuen Schuljahr mussten die Leiper Kinder mit dem Bus auf der gerade fertiggestellten Straße nach Burg fahren.“ In diesen Spreewaldort musste er aber dennoch bald, denn seine Gärtnerlehre sollte er gerade dort absolvieren. Zur Berufsschule nach Cottbus ging es dann mit der Spreewaldbahn. Schon im ersten Lehrjahr wurde er in der Gärtnerei mit der Betreuung der Schüler beauftragt, die im Rahmen des damals üblichen polytechnischen Unterrichts einen Tag in der Woche in Betrieben arbeiten mussten. „Mein vorzeitiger Schulabgang hatte dann doch etwas Gutes im Gepäck: Ich verliebte mich in Ingrid, eine mir zugeteilte Schülerin. Sie war 14 und ich 15. Ein paar Jahre später haben wir geheiratet, inzwischen haben wir drei erwachsene Kinder“, so Werner Staritz, dem dabei ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht huscht. Nach der Lehre folgten Zeiten als Gärtner in Burg und Straupitz, unterbrochen vom Wehrdienst als Tankwagenfahrer auf dem Drewitzer Flugplatz. Nach Feierabend besuchte er die Volkshochschule, holte den Abschluss der zehnten Klasse nach und erwarb in einem weiteren Lehrgang eine Studienbefähigung. Als Agrar-Ingenieur-Ökonom arbeitete Werner Staritz in der Kreisverwaltung Lübben. „Das hat mir aber nicht gefallen, ich wollte näher an der Produktion sein, im Gewächshaus stehen und mich über das Heranwachsende freuen“, so sein Rückblick. Mit der Wende endete ohnehin seine Verwaltungstätigkeit und das Leben musste neu organisiert werden. Eine Zweigstelle der Straupitzer Gärtnerei in Neu Zauche stand zum Verkauf, der Schritt in die Selbstständigkeit war spürbar nah. In der Familie wurde beraten und verworfen, geplant und gerechnet. „Schließlich haben wir den Sprung in die Marktwirtschaft gewagt und haben mit viel Fleiß und nach einem für uns damals ungewohnten Ämtermarathon die Gärtnerei kaufen und umbauen können.“ Am 1. Oktober 1991 war es dann soweit: Die Ladenkasse wurde mit 50 DM Wechselgeld gefüllt und der Verkauf begonnen. Seit dieser Zeit gehen Blumengebinde, Hochzeitsgestecke, Kränze und Gemüsepflanzen über den Tisch. Das Ehepaar wird dabei von Tochter Kordula unterstützt, die Floristin geworden ist. Eine besondere Spezialisierung erfuhr das Geschäft eher zufällig. Werner Staritz: „Wir sollten uns vor fünf Jahren für die Teilnahme an einem Kunst- und Gartenmarkt etwas Besonderes einfallen lassen und kamen auf die Idee mit dem Kräuterwagen. Auf meinen alten Mantel wurden Kräuter, Moose, Blumen und anderes pflanzliches Material genäht, auch der Hut bekam eine entsprechende Dekoration. In den Leiterwagen kamen unsere Waren und gemeinsam mit meiner Frau zogen wir damit über den Markt.“ Daraus wurden viele Märkte und auch Volksfeste. Die beiden waren nicht nur der Hingucker und das Fotomotiv schlechthin, sondern konnten auch ganz gut aus ihrem Leiterwagen verkaufen und für ihr Neu Zaucher Geschäft Werbung machen. Der Wagen passte auch gerade so in ihren Transporter, sodass sie damit ohne allzu großen Aufwand die Region bereisen können. In dieser Zeit eigneten sich beide umfangreiches Wissen über die Kräuter an, denn sie wurden häufig angesprochen und um Rat bei bestimmten Zipperlein und anderen unpässlichen Lebenslagen gebeten. Die Neu Zaucher haben von ihrem Kräutermann und ihrer Kräuterfrau erst kürzlich bei einem Dorffest Kenntnis genommen. Die beiden Staritz‘s waren ja damit immer außerhalb unterwegs und deshalb war ihr Faible im Dorf kaum bekannt.
Im Winter, wenn mal etwas mehr Zeit bleibt, befasst sich Werner Staritz mit der Malerei. Etwas, was ihm sein musisch talentierter Lehrer-Vater mit auf dem Weg gegeben hat. Fensterflügel, Vasen, Blumentöpfe, Zeichenkarton und Leinwände werden von ihm mit sehr viel Liebe und Detailtreue gestaltet, meist mit Blumen- und Tiermotiven. „Ich finde da einen gewissen Ausgleich zu meiner gärtnerischen Arbeit. Früher bin ich noch ab und zu zum Angeln gegangen. Als Spreewälder Junge wächst man ja damit auf.“ Als Geflügelzüchter hatte er sich zwischenzeitlich einen gewissen Ruhm erarbeitet, die Zucht aber aus Zeitgründen wieder eingestellt. Seine „Ungarischen Lockengänse“ sind hoch dekoriert worden.
„Wenn ich auch wegen meiner fehlenden Schulabschlüsse einen etwas holprigen Start ins Leben hatte, so habe ich das später mit viel Fleiß wieder einigermaßen ausgleichen können. Wir, meine Familie und ich, haben den Schritt in die Selbstständigkeit nicht bereut. Wir wohnen zwar in Straupitz, sind aber voll ins Neu Zaucher Leben eingebunden“, blickt Werner Staritz auf Bisheriges zurück. Sie gestalten aktiv die Dorf- und Vereinsfeste mit, wie erst kürzlich das Eisbeinessen bei Glühwein in ihren eigenen Räumlichkeiten. Die Neu Zaucher bringen sich mit einem Theaterspiel ein – Platz und Wärme ist in der Gärtnerei reichlich vorhanden.
Peter Becker, 14.12.12 |